Evolution des Menschen:Sind Männer schuld an der Menopause?

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Bei Promis, die im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen, fällt das Phänomen besonders deutlich auf: Männer (wie Michael Douglas, Jahrgang 1944) bevorzugen jüngere Frauen (wie Catherine Zeta-Jones, Jahrgang 1969) (Foto: REUTERS)

Männer haben eine Vorliebe für jüngere Partnerinnen, sagen kanadische Wissenschaftler - und das ist ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass ältere Frauen keine Kinder mehr bekommen können. Das ist gar nicht so absurd, wie es klingt.

Von Markus C. Schulte von Drach

Sind Männer und ihre Vorliebe für jüngere Partnerinnen verantwortlich dafür, dass sich bei Frauen die Menopause entwickelt hat? Das behaupten kanadische Wissenschaftler der McMaster University in Hamilton im Fachjournal PLOS Computational Biology. Basis ihrer Annahme sind Computersimulationen, in denen sie verschiedene Verhaltensweisen der Geschlechter und die Auswirkungen von Mutationen auf menschliche Populationen analysiert haben.

Bisherige Erklärungsversuche für das Ende der Reproduktionsfähigkeit bei Frauen lange vor dem Lebensende weisen in ganz andere Richtungen. Demnach könnte es sich um eine rein physiologische Folge des Alterns handeln. Dagegen spricht allerdings, dass es neben dem Menschen nur zwei weitere bekannte Arten gibt, bei denen die Weibchen die Reproduktion relativ früh einstellen: Killer- und Grindwale. Bei allen anderen Arten - darunter auch den nächsten Verwandten des Menschen, den Schimpansen - sind Weibchen bis ins hohe Alter fortpflanzungsfähig. (Bei Schimpansen wurde eine Art Menopause lediglich in Gefangenschaft beobachtet.)

Eine andere mögliche Erklärung ist, dass der Fortpflanzungserfolg von Frauen insgesamt größer sein könnte, wenn sie zwischen 40 und 50 helfen, Enkel großzuziehen, anstatt selbst weiter Nachwuchs zu produzieren.

Zweifel am Großmutter-Effekt

Ein solches Verhalten - der sogenannte Großmutter-Effekt - könnte ein Evolutionsvorteil sein, wenn am Ende mehr Jungtiere insgesamt - also inklusive der Enkel - Erbgut des Weibchens tragen, als wenn es nur auf die Produktion eigener Töchter und Söhne setzt. Fachleute sprechen hier von "genetischer Gesamtfitness". Schließlich sind die Belastungen, die eine Schwangerschaft und die Versorgung von Kleinkindern darstellen, groß, und die Wahrscheinlichkeit, dass auch eine ältere Frau in der Vergangenheit erfolgreich eigene Kinder großziehen konnte, eher gering. Es ist deshalb denkbar, dass sich Mutationen durchsetzen konnten, die zu einem Großmutter-Effekt innerhalb der menschlichen Art führten.

Von dieser Vorstellung hält Rama Singh von der McMaster University allerdings nichts. Ihm zufolge widerspräche dies dem Prinzip der natürlichen Selektion. Diese bevorzuge Organismen, die sich möglichst effektiv fortpflanzen, und benachteilige solche, die damit aufhören. Eine ineffektive Reproduktionsstrategie - insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz - führt letztlich dazu, dass ihre Vertreter aussterben. Außerdem ignoriere die Idee vom Großmutter-Effekt den Einfluss, den das Verhalten der Männer auf die Fortpflanzungserfolge haben kann.

Wie Singh und sein Team schreiben, könnte die Entwicklung der Menopause einfach damit zusammenhängen, dass Männer deutlich dazu neigen, sich ihre Partnerinnen eher unter Frauen zu suchen, die noch keine 40 oder 50 sind. "Es gibt in der Geschichte der Menschheit Hinweise darauf, dass es [bei Männern] immer eine Präferenz für jüngere Frauen gab", sagte der Evolutionsbiologe der BBC. Wenn Frauen bis ans Lebensende Kinder bekommen könnten und Männer hätten die Neigung zu jüngeren nicht, so seine Überlegung, könnten sich Frauen wie Männer das ganze Leben lang fortpflanzen.

Letztlich würden ältere Frauen demnach keinen Nachwuchs mehr bekommen, weil ihnen schlicht und einfach die Sexualpartner fehlen. Fruchtbar zu bleiben, habe deshalb gar keinen Zweck mehr. So sei bei ihnen die Fortpflanzungsfähigkeit während der Entwicklungsgeschichte des Menschen verschwunden.

Dass der Zweck fehlt, muss allein allerdings nicht dazu führen, dass ein Merkmal verschwindet. Jedenfalls solange es keine Nachteile hat, es weiter zu tragen.

Wieso aber kam es dann zur Entwicklung der Menopause? Hier, so argumentieren die kanadischen Wissenschaftler, kamen vermutlich Mutationen ins Spiel. Veränderungen im Erbgut, die unfruchtbar machen, können sich zwar nicht durchsetzen, wenn junge Frauen betroffen sind. Bekommen diese keine Kinder, steckt die Mutation gewissermaßen in einer Sackgasse.

Anders ist es mit Mutationen, die zur Unfruchtbarkeit von älteren Frauen führen, die - aufgrund des Verhaltens der Männer - sowieso keine Kinder mehr bekommen. Als junge Frauen können sie diese Genveränderung an ihre Töchter weitergeben, die dann ebenfalls als ältere Frau unfruchtbar werdem.

Mutationen im Computermodell simuliert

Mit Hilfe ihrer Computermodelle untersuchten die Wissenschaftler die Entwicklung einer virtuellen Ausgangspopulation von Männern und Frauen, die sich ihr ganzes Leben lang fortpflanzen konnten. Auf diese Population ließen die Forscher zum einen gelegentlich auftretende Mutationen wirken, die die Sterblichkeit und die Fruchtbarkeit im Alter einschränkten. Wurde dem männlichen Teil der Population eine Präferenz für jüngere Partnerinnen einprogrammiert, häuften sich Mutationen, die die Fortpflanzung einschränkten, unter den älteren Frauen. Letztlich, so die Schlussfolgerung von Singh und seinen Kollegen, habe dies zur Entstehung einer Menopause geführt.

Mutationen können sich eigentlich nur unter bestimmten Bedingungen soweit durchsetzen, dass letztlich alle Vertreter einer Art das entsprechende Merkmal zeigen: Die Folgen wirken sich positiv auf den Fortpflanzungserfolg aus. Oder ein anderer Faktor wirkt zugleich so, dass die Reproduktion dadurch nicht eingeschränkt wird und sich das Merkmal in einer Population mit der Zeit einfach nach und nach ausbreitet. In diesem Fall hätten die Mutationen keinen Effekt auf die Fortpflanzung, weil ohnehin keine Partner verfügbar sind.

Wäre die Situation anders herum - würden also Frauen eine Neigung zu jüngeren Männern zeigen -, wären es Männer in den Fünfzigern, die ihre Fruchtbarkeit verlören, sagte Singh dem britischen Guardian.

Ein Faktor, der bei der Präferenz der Männer für junge Frauen eine Rolle gespielt haben könnnte, ist die Lebenserwartung. In der Vergangenheit dürften Frauen nicht lange über die reproduktive Zeit hinaus überlebt haben. Das spricht dafür, dass Männer eine Vorliebe für jüngere Frauen entwickelten, weil dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter sich um seine Kinder längerfristig kümmern konnte, höher war als bei einer älteren Partnerin.

Es gibt allerdings deutliche Kritik an der Studie. So geht Maxwell Burton-Chellew von der University of Oxford in Großbritannien trotz der Ergebnisse weiter davon aus, dass Männer jüngere Frauen einfach deshalb bevorzugen, weil diese noch eine größere Chance auf Nachwuchs bieten. (Wobei es nicht der bewusste Kinderwunsch sein muss, der die Männer hier treibt. Ausschlaggebend dürfte eine unbewusste Neigung sein, die sich in der Evolution durchgesetzt hat.)

"Ich denke, es macht mehr Sinn, die männliche Neigung vor allem als eine evolvierte Reaktion auf die Menopause zu betrachten und anzunehmen, dass unsere männlichen Ahnen weise genug waren, sich mit solchen Frauen zu vereinen, die Nachwuchs zeugen konnten", sagte Burton-Chellew der BBC. Dann aber hätten ältere Frauen vor einer interessanten evolutionären Wahl gestanden: "Zu versuchen, weitere Kinder zu produzieren, die vor dem Tode der Mutter kaum ausgewachsen sein dürften, oder die Fortpflanzung einzustellen und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, den jüngeren Verwandten bei der Reproduktion zu helfen."

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