Europäische Raumfahrt:Per Anhalter in den Orbit

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Die Mitgliedsstaaten der europäischen Raumfahrtagentur verzichten vorerst auf eigene bemannte Raumfahrzeuge. Die Möglichkeiten, das ATV umzurüsten, werden überprüft.

A. Stirn

Europa wird auf absehbare Zeit aus eigener Kraft keine Astronauten in den Weltraum transportieren können. Bei ihrem Treffen in Den Haag am Mittwoch vermieden es die Mitgliedsstaaten der europäischen Raumfahrtagentur Esa, eine klare Aussage zum Ausbau des Raumfrachters ATV für die bemannte Raumfahrt zu treffen.

Trotz der europäischen Erfolge in diesem Jahr - sowohl das ATV als auch das ISS-Modul Columbus legten Bilderbuchstarts hin - tritt die bemannte Raumfahrt auf der Stelle. (Foto: Foto: Nasa/EPA/dpa)

Das europäische Transport-Raumschiff könnte theoretisch so umgebaut werden, dass mit ihm Astronauten ins All und wieder zurück zur Erde gebracht werden könnten - eine Option, für die sich zuletzt der Raumfahrtkonzern EADS Astrium und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt stark gemacht hatten.

Die zuständigen Minister der 18 Esa-Mitgliedstaaten beschlossen jedoch, lediglich eine weitere "Definitionsstudie" in Auftrag zu geben. Sie soll klären, inwieweit sich das ATV umrüsten lässt, um mit ihm Fracht von der Internationalen Raumstation ISS sicher zurück zur Erde zu bringen.

Trotz der europäischen Erfolge in diesem Jahr - sowohl das ATV als auch das ISS-Modul Columbus legten Bilderbuchstarts hin - tritt die bemannte Raumfahrt damit auf der Stelle. Zumal auch für die Internationale Raumstation nicht das gesamte erforderliche Geld bereitgestellt wurde: Zwar bekannten sich die Esa-Minister zur weiteren Nutzung der ISS.

Um alle derzeit geplanten Versorgungsflüge starten zu können, fehlen im Etat aber etwa 400 Millionen Euro. Nach derzeitigem Stand wird sich Deutschland bis ins Jahr 2012 mit rund 560 Millionen Euro am Betrieb der Raumstation beteiligen. Für das Forschungsprogramm an Bord sind weitere 146 Millionen eingeplant.

Besser sieht es für das laufende Wissenschaftsprogramm der Esa aus - hier soll der Etat jährlich um 3,5 Prozent steigen. Insgesamt wollen die beteiligten Länder bis 2013 mehr als 2,3 Milliarden Euro in die unbemannte Wissenschaft stecken, Deutschland übernimmt 21 Prozent davon. Der Start der beiden Weltraumteleskope Herschel und Planck scheint damit ebenso gesichert wie die Mission Gaia zur Vermessung der Milchstraße und der Flug der Sonde Bepi-Colombo zum Planeten Merkur.

Mars-Mission auf der Kippe

Dagegen steht die ambitionierte europäische Mars-Mission Exomars auf der Kippe. Ursprünglich mit 593 Millionen veranschlagt, wird die Landesonde aktuellen Schätzungen zufolge mehr als 1,2Milliard

en Euro verschlingen. Die Esa-Staaten wollen aber nur 850 Millionen ausgeben. Der Rest soll über Kooperationen mit internationalen Partnern beschafft werden. Sicherheitshalber hat die Esa den anvisierten Starttermin schon einmal um drei Jahre auf 2016 verschoben. Finden sich keine neuen Geldgeber, müsste die Mission abgespeckt oder gar komplett gestrichen werden.

Zusätzliches Geld will Europa dagegen in die Erdbeobachtung, die Entwicklung einer neuen Generation von Wettersatelliten und die vorsichtige Weiterentwicklung der Transportrakete Ariane 5 stecken. Um auf einem Flug mehrere kommerzielle Satelliten transportieren zu können und somit wirtschaftlicher zu arbeiten, soll die Schubkraft der Rakete erhöht werden. Eine mehrmals zündbare, in Deutschland entwickelte Oberstufe soll es zudem ermöglichen, Satelliten in unterschiedlichen Umlaufbahnen auszusetzen. Für den geplanten Aufbau des europäischen Navigationssystems Galileo ist das von entscheidender Bedeutung.

Komplett neu ist ein Programm zur "Erfassung der Weltraumlage", das die Minister in Den Haag angeschoben haben. Es soll Informationen zum Schutz von Satelliten vor Weltraummüll, Asteroiden und den Folgen von Sonnen-Eruptionen bieten - Daten, an denen auch das Militär interessiert ist.

Insgesamt stehen der Esa in den kommenden Jahren knapp zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Deutschland übernimmt davon 2,7 Milliarden Euro und bleibt die größte Raumfahrtnation der 18-Esa-Staaten.

© SZ vom 27.11.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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