Erste Heidelberg Lecture:Die Zeitmaschine

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Vinton Cerf hat die Kommunikation grundlegend geändert. Heuer ist er zu Gast bei den Nobelpreisträgern.

Von Andrea Hoferichter

Vom Erscheinungsbild her würde Vinton Cerf durchaus auch auf der Kommandobrücke eines Star-Trek-Raumschiffs eine gute Figur abgeben. Vermutlich hätte der Vizepräsident und "Chief Internet Evangelist" von Google sogar Spaß dabei, denn er ist bekennender Science-Fiction-Fan und liebt Visionen. Eine davon hat er Wirklichkeit werden lassen: das Internet. 1973 entwickelte Cerf in seinem Labor an der Stanford University in Kalifornien gemeinsam mit Robert Kahn das Internetprotokoll TCP/IP, ohne das es das weltweite Netz von heute so nicht geben würde.

Theoretisch könnte Cerf also virtuell an der Nobelpreisträgertagung in Lindau teilnehmen. Doch er weiß den Wert des persönlichen Austauschs sehr zu schätzen. "Mehr als einmal wurden auf solchen Treffen alte Forschungswege neu belebt, und ich bin auf neue Ideen und Wege gestoßen, an die ich vorher gar nicht gedacht hatte", sagt er. So hält er diese Woche die erste "Heidelberg Lecture" in Lindau. Diese ist Teil des Austauschs mit dem Heidelberg Laureate Forum, das dieses Jahr zum vierten Mal stattfindet und Pendant zu Lindau ist - für Mathematiker und Informatiker.

Cerf hat zahlreiche Preise erhalten, darunter die Freiheitsmedaille des Präsidenten der USA und der Turing-Award, der oft als Nobelpreis der Informatik gehandelt wird. Hinzu kommen mehr als ein Dutzend Ehrendoktortitel. Arrogant wirkt Cerf aber nicht, eher humorvoll und bodenständig. An Zukunftsthemen arbeitet er nach wie vor: An einem Internet für ferne Galaxien und an Technologien, mit deren Hilfe Menschen selbst in 1000 Jahren noch E-Mails, digitale Fotos und Publikationen von heute öffnen und verstehen können. Er wünscht sich eine Art Museum, in dem digitale Schnappschüsse von Daten inklusive der entsprechenden Pakete aus Software, Betriebssystem und Hardware lagern wie einst Aufzeichnungen auf Pergament. Cerf selbst fühlt sich noch nicht reif fürs Museum, nur manchmal wie im Film. Angesichts der schnellen Entwicklungen sagt er: "Es kommt mir vor, als wäre ich mit einer Zeitmaschine in die Zukunft gereist."

© SZ vom 30.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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