Energie durch Osmose:Fluss trifft Meer

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In Norwegen hat Kronprinzessin Mette Marit das weltweit erste Osmosekraftwerk eingeweiht. Hier wird emissionsfrei Strom erzeugt - durch das Aufeinandertreffen von Süß- und Salzwasser.

Friederike Nagel

Kronprinzessin Mette Marit lässt den Teebeutel vorsichtig am Rand ihres Pappbechers abtropfen. Zusammen mit den Konzernobersten des staatlichen Energieunternehmens Statkraft und dem norwegischen Öl- und Energieminister Terje Riis-Johansen stößt sie mit dem frisch aufgebrühten Getränk an: auf das weltweit erste Osmosekraftwerk.

Norwegens Kronprinzessin Mette Marit bei der Eröffnung des Osmosekraftwerks. (Foto: Foto: AP)

Eines, das sich allein die Unterschiede von Süß- und Salzwasser zu Nutze macht und so emissionsfrei Strom erzeugen kann. "Diese neue Technik erzeugt elektrische Energie einfach, indem wir Wasser miteinander vermischen", sagt Statkraft-CEO Bård Mikkelsen.

Der erste Osmosestrom wird in dem kleinen Ort Tofte am Oslo-Fjord gewonnen, etwa 60 Kilometer südlich der norwegischen Hauptstadt. Der Ort bietet beste Voraussetzungen. Neben der guten Infrastruktur liegt das Gelände an einem kleinen Fluss, der ins Meer mündet.

So kann Süßwasser von der einen Seite und Salzwasser von der anderen Seite aus ins innere des Kraftwerks hineingepumpt werden. Durch ein kompliziertes Röhrensystem und miteinander verbundenen Membranmodulen - Geräten, die den Druckaustausch regeln und einer Turbine zur Stromgewinnung - ahmt das Kraftwerk im Grunde die Natur nach.

Die Technik lässt die beiden Flüssigkeiten einfach aufeinandertreffen, allerdings durch eine trommelartig aufgerollte Membran getrennt. Diese ist lediglich für Süßwasser durchgängig, welches von der Meerwasserseite angesogen wird. Denn auf der Salzseite ist die Konzentration des reinen Wassers wegen des gelösten Salzes geringer. Die beiden Seiten streben also einen Ausgleich an.

"Minimale ökologische Spuren"

Das Volumen des Süß-Salzwassergemisches nimmt zu, worauf es zu einem erhöhten Druckaufbau kommt. Dieser osmotische Druck muss nun so genutzt werden, dass er eine Turbine antreibt. "Wir arbeiten hier derzeit mit zwölf Bar", sagt Stein Erik Skilhagen, Projektleiter des Osmosekraftwerks. Das sei so viel, wie wenn ein Wasserfall aus 120 Meter Höhe eine Turbine antreiben würde.

"Der Vorteil der neuen Technologie ist, dass sie nur minimale ökologische Spuren hinterlässt", sagt Skilhagen. Viel umweltfreundlicher gehe es kaum. Anders als Wind, Sonne und Wellen produziert das Osmose-Prinzip außerdem stets gleich viel Energie.

Und es gibt noch weitere Vorteile: In besiedelten Flussdeltas ließen sich Kraftwerke auch problemlos im Keller bestehender Industrieanlagen oder sogar unterirdisch bauen, so die Ingenieure von Europas größtem Erzeuger erneuerbarer Energie.

"Zieht man alle theoretisch geeigneten Flüsse in Betracht, lässt sich ein globales Potential von 1600 bis 1700 Terawattstunden (Milliarden Kilowattstunden) berechnen", sagt Statkrafts Innovationschef Sverre Gotaas. Allein in Norwegen könne man bis zu zwölf Terawattstunden erzeugen, was etwa zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs entspreche. Zum Vergleich: 2008 produzierten alle Wasserkraftwerke der Erde zusammen etwa 3000 Terawattstunden und alle Kernkraftwerke 2800.

Noch hat die neue Technik allerdings vergleichsweise geringe Kapazitäten. Die neue Osmoseanlage in Tofte liefert derzeit gerade mal genügend Energie, um einen Wasserkocher anzuwerfen. "Der momentane Knackpunkt ist die Membran", sagt Skilhagen.

Derzeit können pro Quadratmeter dieser einseitig durchlässigen Trennwände etwa drei Watt Energie erzeugt werden, fünf Watt wäre das Ziel. "Dann können wir davon sprechen, dass die Anlage wirtschaftlich konkurrenzfähig ist", sagt der Projektleiter.

Flüsse, die aufs Meer treffen

Außerdem müsse man größere Membranen produzieren. In Tofte verwendet man derzeit eine, die sich auf 2000 Quadratmeter erstreckt. Die feinen Membranporen sollen möglichst nur Wassermoleküle durchlassen, nicht das gelöste Salz. Das ist momentan technisch noch sehr schwierig. Auch funktioniert die Membran nur, wenn das Wasser nicht zu stark verschmutzt ist.

Allein um zehn Prozent des europäischen Potentials von geschätzten 200 Terawattstunden pro Jahr nutzen zu können, werden etwa 700 Millionen Quadratmeter benötigt. In der Anwendung ist die Fläche zum Glück raumsparend: die Membran wird immer zu kleinen Trommeln aufgerollt.

"Osmose ist die erneuerbare Energie mit der höchsten Energiedichte, die wir jetzt endlich nutzen", sagt der norwegische WWF-Chef Rasmus Hansson. "Sogar Länder, die weder Öl noch Kohle oder Berge haben, könnten so ihre eigene Energie gewinnen."

Hauptsache, sie hätten Flüsse, die auf das Meer treffen. Dass Osmosekraft ein wichtiger Teil im weltweiten Energie-Mix werden wird, davon ist auch Statkraft-Chef Bård Mikkelsen überzeugt.

Im Jahr 2015 will der norwegische Versorger Statkraft so weit sein und mit dem Bau eines kommerziellen Kraftwerks beginnen. Das soll eine Energieleistung von 25 Megawattstunden haben und etwa 10.000 Haushalte mit Strom versorgen können. Das weltweite Energiepotenzial der Osmosekraft wird auf 1700 Terrawattstunden geschätzt, das wäre die Hälfte der innerhalb der EU gewonnenen Energie.

© SZ vom 26.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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