Deutsche Industrie von Ökosteuer befreit:Rückzug aus der Verantwortung

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Die Ökosteuer sollte dafür sorgen, dass in diesem Land weniger Energie verbraucht wird. Doch mittlerweile reiht sich bei der deutschen Schwerindustrie Ausnahme an Ausnahme: Wer ohnehin viel Strom, Öl oder Koks verbraucht, muss sich auch in Zukunft beim Energiesparen nicht groß anstrengen; die neuen Vorgaben bleiben hinreichend lasch.

Michael Bauchmüller

Die Klage ist das Lied des Kaufmanns, weiß der Volksmund. Auch die Kaufleute der deutschen Industrie singen gerne mit, besonders lieb ist ihnen jene Strophe, die von hohen Energiepreisen, Werkschließungen und Jobabbau handelt. Vor allem die Konkurrenz in Übersee mache den Unternehmen das Überleben in Deutschland schwer. Und der Kniff verfängt.

Am meisten Energie verbraucht die Schwerindustrie - doch die ist bis 2022 weitestgehend von der Ökosteuer befreit. (Foto: dpa)

Am Mittwoch verlängerte das Bundeskabinett ohne große Debatte die Ökosteuer-Vergünstigungen für Industriebetriebe. Die Ökosteuer? Stimmt genau: Eigentlich sollte sie dafür sorgen, dass in diesem Land weniger Energie verbraucht wird. Aber schon Rot-Grün bedachte ausgerechnet die größten Energieverbraucher mit Ausnahmen, Schwarz-Gelb hat dies nun verlängert. Wer ohnehin viel Strom, Öl oder Koks verbraucht, muss sich auch in Zukunft nicht groß anstrengen; die neuen Vorgaben bleiben hinreichend lasch.

Nun kann es tatsächlich nicht Ziel von Energiepolitik sein, ganze Branchen aus dem Land zu treiben, damit sie anderswo ungehindert Umwelt und Klima schädigen. Und ja: Verglichen mit anderen Industriestandorten arbeiten viele deutsche Werke schon jetzt mit relativ geringem Energieaufwand. Das macht jede weitere Einsparung umso aufwändiger. Doch mittlerweile reiht sich bei der deutschen Schwerindustrie Ausnahme an Ausnahme, bis hin zu Kompensationen für Auflagen beim Klimaschutz. So ziehen sich energieintensive Branchen Schritt für Schritt aus der Verantwortung für die Energiewende.

Von den Kosten des Netzausbaus sind die größten Stromverbraucher weitgehend befreit, und das mittlerweile ohne jede Gegenleistung. Die Umlage für Strom aus Wind und Sonne, die jeder Bundesbürger auf seiner Stromrechnung findet, wird für sie auf einen Bruchteil reduziert - soll bloß keiner wegen Atomausstieg und Energiewende das Weite suchen. Dennoch klagen die Unternehmen derzeit über wenig so leidenschaftlich wie über die angeblich so hohen Kosten dieser Wende.

Das ist gleich doppelt grotesk. Zum einen, weil eher die Bürger und das einfache Gewerbe Grund zur Klage hätten: Die haben schließlich umso mehr für die Energiewende zu berappen, desto weniger sich die größten Energieverbraucher daran beteiligen. Zum anderen, weil die Energiewende eben nicht die Gesamtkosten für Strom erhöht, ganz im Gegenteil.

Gerade zur Mittagszeit, zu der die Strompreise früher hochschnellten, bleibt der Preis immer öfter stabil - dann fließt nämlich besonders viel Sonnenstrom; und wenn der Wind stark weht, fallen an den Strombörsen die Preise ohnehin. Mal ganz abgesehen davon, dass auch energieintensive Firmen eines Tages dankbar sein werden, dass sie weniger von importierten Brennstoffen abhängig sind als manche Konkurrenten sonstwo.

Die Vorteile mitnehmen, über die Nachteile klagen - so gesehen sind die Kaufleute der deutschen Industrie Meister der Effizienz. Funktionieren wird solches Gebaren allerdings nicht allzu lange.

© SZ vom 03.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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