China und der Klimawandel:Im Osten geht die Sonne unter

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Erstmals liegt China beim Kohlendioxid-Ausstoß gleichauf mit den USA . Doch auf Klimaschutz-Ziele will Peking sich trotzdem nicht festlegen.

Henrik Bork

Es ist soweit, China hat die USA eingeholt. Nein, nicht als Wirtschaftsmacht, das muss noch warten. Aber als Klimasünder. Die Volksrepublik hat in dieser Woche erstmals eingeräumt, "etwa genauso viel" Treibhausgase zu produzieren wie die USA, wenngleich natürlich mit einer viel größeren Bevölkerung.

Wegen der großen Luftverschmutzung müssen in Chinas Großstädten wie hier in Peking die Glasfassaden der Hochhäuser ständig geputzt werden. (Foto: Foto: AP)

Damit ist eine historische Zäsur erreicht, die seit langem vorhergesagt worden war, und zwar schneller als von den meisten Experten erwartet. Aufgrund seiner nur leicht geschrumpften Wachstumsprognosen bedeutet dies, dass China sehr bald unangefochten an der Spitze dieser unrühmlichen Statistik stehen wird.

Das Eingeständnis entschlüpfte einem kommunistischen Kader auf einer Pressekonferenz, und man darf getrost darauf wetten, dass er seine Worte kurz darauf schon gerne zurückgenommen hätte. "Nach unseren Daten haben die gegenwärtigen Emissionen Chinas etwa das gleiche Ausmaß wie die der USA erreicht", sagte Xie Zhenhua, Vizedirektor der Reform- und Entwicklungskommission in Peking.

Und er bestätigte damit eine Vermutung, die niederländische Forscher schon länger hatten. Eine exakte Zahl für den Ausstoß nannte Xie Zhenhua nicht. Die ist noch immer Staatsgeheimnis. Es muss sich dann aber um ungefähr sechs Milliarden Tonnen Kohlendioxid jährlich handeln, denn dies ist die oft für die USA genannte Zahl, allerdings bezogen auf das Jahr 2005.

Ganz nebenbei hatte der Beamte somit eine ernüchternde Wahrheit verkündet, wo sich seine Regierung in dieser Woche doch eigentlich mit einer ganz anderen Botschaft in der internationalen Klimadebatte positionieren wollte. Während der Himmel in den Industriestädten Nordchinas wie üblich in den Farben Grau und Schwarz ersoff - grau von den Abgasen der Autos und schwarz von den Rauchfahnen der Kohlekraftwerke -, präsentierte die Führung in Peking ein "Weißbuch" zum Klimawandel. Darin ist viel davon die Rede, wie verantwortungsvoll sich das Land verhalte, während jedoch mit keiner Zeile verbindliche Reduktionsziele genannt werden.

Historisch gesehen und pro Kopf betrachtet, so rechnet Chinas Staatsrat langatmig vor, sei sein Land überhaupt kein schlimmer Klimasünder. Die Industrieländer seien verpflichtet, nicht nur bei der Reduktion voranzuschreiten, sondern auch mit Geld und dem Transfer von moderner Technologie einem Entwicklungsland wie China beim Klimaschutz zu helfen.

Wirtschaftliche Entwicklung wird als Kern der chinesischen Politik bezeichnet, Klimaschutz folgt erst im Nebensatz. Die Botschaft aus dem Weißbuch ist somit eindeutig: China ist zwar auf dem Weg zum größten Produzenten von Treibhausgasen, möchte aber keine führende Rolle bei ihrer Eindämmung spielen.

Ein mutiger Professor

Dass diese Position widersprüchlich ist, wagen seit kurzem auch einige chinesische Wissenschaftler laut zu sagen. "Wenn China der größte Verschmutzer wird, dann muss es auch seine Verantwortung zur Reduzierung von Emissionen erfüllen", sagte kürzlich Hu Angang, ein angesehener Wirtschaftsexperte der Qinghua-Universität in Peking. Der mutige Professor ist damit einer der ersten Chinesen geworden, die aus der Riege der Ja-Sager und regierungstreuen Forscher ausscheren, die sonst in Peking den Ton angeben.

Er sprach auf einem Symposium zum Klimawandel Anfang dieses Monats in Peking. "China muss die ihm gebührenden Obligationen übernehmen, auch wenn die Führer unseres Landes dies noch nicht begriffen haben", sagte Hu. Im Klartext bedeutet dies verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgase auch für Entwicklungsländer, besonders für China.

Es ist jedoch genau diese kostspielige Verpflichtung, die Chinas Führung derzeit noch scheut. Vor dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen und vor einer eigenen kleinen Klimakonferenz mit UN-Vertretern in Peking am 7. November hat sie nun ihre Maxime "Industrieländer voran" noch einmal wortreich zementiert. China ist derzeit beim Klimaschutz oft nur da führend, wo andere die Zeche zahlen.

Und so stellt es sich das auch weiterhin vor. "Mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes" sollen die Industrieländer künftig dafür aufwenden, um den Klimaschutz in China und anderen Entwicklungsländern zu finanzieren, forderte Vizedirektor Xie von der Reformkommission am Mittwoch.

Was passiert, wenn die zwei größten, nun Kopf an Kopf liegenden Klimasünder sich derartig weiter gegenseitig den schwarzen Peter zuspielen, das ist in China schon jetzt sehr deutlich zu erkennen. In drastischen Sätzen schildert das "Weißbuch" der Regierung, wie China bereits jetzt unter den Folgen der globalen Erderwärmung leidet. "Die Zahl von Hitzewellen im Sommer ist gestiegen und Dürren sind in manchen Gegenden schlimmer geworden", heißt es in dem Bericht.

Im Winter seien Schneekatastrophen im Westen des Landes häufiger geworden. Die Gletscher auf dem tibetischen Hochland tauten ab und gefährdeten damit ein wichtiges Ökosystem. All dies werde noch schlimmer werden, und auch der Meeresspiegel werde "stärker als je zuvor ansteigen", warnt Chinas Regierung.

Doch nur mutige Individuen außerhalb der Korridore der Macht ziehen daraus in China momentan den einzig logischen Schluss. Falls China in Kopenhagen nicht aktiv kooperiere, "wird nicht nur China, sondern die ganze Welt unter dieser Katastrophe leiden", prophezeite der Pekinger Professor Hu Angang.

© SZ vom 31.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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