Savannen bis zum Horizont, endlose Ebenen und Sand, soweit das Auge reicht - es kann sehr einsam sein in Südafrika. Was mancher Urlauber schätzt, ist für Sharon Blair eine Herausforderung: Die Forscherin von der Universität Kapstadt kümmert sich gemeinsam mit ihrem Team um die Energieversorgung in "netzfernen Gebieten" - also um Stromquellen für die Menschen, die in einer solchen Einsamkeit zuhause sind.
Gerade für die Bewohner abgelegener Siedlungen ohne Anschluss an ein überregionales Stromnetz ist Elektrizität wichtig, um mittels moderner Kommunikationstechnik in Kontakt mit der Außenwelt zu bleiben. Doch wer solche Orte mit Energiequellen wie Dieselgeneratoren, Photovoltaik-Modulen, und Windrädern ausstatten will, hat ein Problem: Die Geräte sind begehrtes Diebesgut. Die Energieversorgung kann aus diesem Grund unvorhergesehen ausfallen.
Blair und ihre Kollegen arbeiten deshalb gemeinsam mit deutschen Partnern an einer Alternative: Die Forscher des Duisburger Zentrums für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) unterstützen ihre südafrikanischen Partner bei der Entwicklung von Brennstoffzellen-Kraftwerken. Mit möglichst robusten und logistikfreundlichen Anlagen wollen sie helfen, die dezentrale Energieversorgung in Südafrika sicherzustellen.
Auf die Technik setzen die Wissenschaftler, weil sie hoffen, dass sich einige Vorteile der Brennstoffzellen gerade bei der lokalen Stromversorgung ausspielen lassen: Die Anlagen sind über weite Lastbereiche effizient und dadurch flexibel - im Gegensatz zu Dieselgeneratoren, die ihre optimale Leistung erst bei hoher Auslastung erreichen. Sie stoßen weder Stickoxide noch Ruß aus, was bei konventionellen Dieselkraftwerken ebenfalls ein Problem darstellt. Und schließlich ist das System im Vergleich zu Solarzellen oder Windrädern technisch komplexer und deshalb nicht so attraktiv für Diebe, die für den Eigenbedarf stehlen.
Für die chemische Reaktion in einer Brennstoffzelle ist jedoch neben Sauerstoff auch Wasserstoff notwendig. In abgelegenen Gebieten mit wenig entwickelter Infrastruktur ist es allerdings logistisch kaum möglich, reinen Wasserstoff als Treibstoff bereitzustellen. Transport und Lagerung wären zu aufwändig und gefährlich. Deshalb setzen die Forscher aus Kapstadt und Duisburg auf einen fossilen Energieträger, der ihnen zufolge auch in netzfernen Gebieten Südafrikas weitgehend verfügbar ist: Sie gewinnen den Wasserstoff aus Diesel.
Dieser Kraftstoff kann mit verbrennungshemmenden Zusätzen versehen werden, die ihn für den Betrieb von Fahrzeugen oder Generatoren unbrauchbar machen, ohne seine Eignung für Brennstoffzellen zu beeinflussen.
Unter ökologischen Aspekten ist Diesel zwar problematisch - bei der Aufbereitung des Kraftstoffs für die Brennstoffzellen entsteht - wie bei der Verbrennung in konventionellen Generatoren - Kohlendioxid. Dennoch haben sich die Wissenschaftler aus pragmatischen Gründen für diese Lösung entschieden. "Im Moment sehen wir in großen Teilen Südafrikas keine praktikable Alternative", erklärt Peter Beckhaus vom ZBT. "Immerhin produziert die Brennstoffzelle in den allermeisten Lastbereichen mehr elektrische Energie pro Liter Diesel als ein herkömmlicher Generator, so dass der CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde geringer ausfällt."
Ein weiterer Grund, warum Südafrika und Brennstoffzellentechnik möglicherweise gut zusammenpassen: Die Elektrodenplatten vieler Brennstoffzellen sind mit Platin beschichtet. Dieses Edelmetall ist als chemischer Katalysator unverzichtbar. Und er wird gerade in Südafrika in Bergwerken abgebaut: Etwa dreiviertel der weltweiten Platinförderung kommen aus dem Land am Kap. Der Preis pro Feinunze steigt seit Jahrzehnten und liegt momentan über dem von Gold.
Um neben der dezentralen Energieversorgung auch die wirtschaftliche Wertschöpfung rund um diesen heimischen Rohstoff zu verbessern, hat die südafrikanische Regierung bereits vor einigen Jahren ein umfangreiches Programm namens "HySA - Hydrogen South Africa" aufgelegt. Mit ihrer Kooperation, die im Rahmen des Deutsch-Südafrikanischen Jahres der Wissenschaft begründet wurde, versuchen die Wissenschaftler nun, das Programm voranzutreiben - in der Hoffnung, dass Südafrika eine neue Energiequelle nutzen kann und Deutschland sich dabei als Forschungs- und Technologiepartner profiliert.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Texten, die die Zusammenarbeit von Forschern im Rahmen des Deutsch-Südafrikanischen Jahres der Wissenschaft 2012/2013 beschreiben.
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