Digitale Währungen wie Bitcoin entstehen in darauf spezialisierten Computerfarmen; sie werden in der Szene gelegentlich Bergwerke oder Minen genannt, in denen die Betreiber nach den virtuellen Münzen schürfen. Diese Metapher enthält offenbar mehr Wahrheit als vermutet, denn der Betrieb der Hardware verschlingt ähnlich viel Energie wie Minen für Gold, Platin, Kupfer oder Seltene-Erden-Metalle. 17 Megajoule in Form von Strom mussten die Bitcoin-Bergleute in den 30 Monaten von Anfang 2016 bis Mitte 2018 im Durchschnitt aufwenden, um einen US-Dollar an neuem Wert zu schaffen, zeigt eine Studie in Nature Sustainability - für Gold verbrauchten Grubenbetreiber fünf Megajoule pro Dollar, die anderen Metalle lagen zwischen vier und neun. Nur Aluminium übertraf das virtuelle Geld: Um das Leichtmetall in einem strom-intensiven Prozess zu gewinnen, sind 122 Megajoule Energie pro Dollar nötig.
Das Bitcoin-Netzwerk verbraucht in sechs Monaten soviel Strom wie Dänemark in einem Jahr
Über den enormen Energieverbrauch der digitalen Währungen machen sich Fachleute schon lange Sorgen. Auch Max Krause vom Oak Ridge Institute in Cincinnati, Leitautor der aktuellen Studie, vermutet, dass allein das Bitcoin-Netzwerk in der ersten Hälfte dieses Jahrs so viel Strom verbraucht hat wie Dänemark im ganzen Jahr 2015, also mehr als 30 Terawattstunden; in der zweiten Jahreshälfte, so seine Studie, dürften die digitalen Bergleute noch einmal deutlich mehr Elektrizität aufwenden. Die Beobachter der Webseite Digiconomist.net wiederum schätzen, dass es bis Jahresende mindestens 73 Terawattstunden sein könnten, mehr Elektrizität als der Bedarf von Österreich und etwa ein Neuntel des Verbrauchs in Deutschland.
Dass die beiden Kalkulationen vergleichbare Werte liefern, spricht für deren Zuverlässigkeit, denn sie folgen unterschiedlichen Methoden. Die Betreiber der Webseite gewinnen ihren Schätzwert aus den Betriebskosten der Bitcoin-Schürfer, Krause jedoch rechnet den Energiebedarf der Hardware hoch und lässt dabei noch die nötige Kühlung der Chips aus. Seine Zahlen sind also eher eine untere Grenze.
Bitcoins werden in einem dezentralen Netzwerk erzeugt und verwaltet, in dem die einzelnen Computer um die Wette kryptografische Aufgaben lösen: Wer zuerst fertig ist, bekommt einen neuen Block von 12,5 Münzen zugeteilt, der zurzeit etwa 81 000 Dollar wert ist. Die Konkurrenzsituation treibt den Verbrauch von Energie hoch und heizt den Markt für immer schnellere Hardware an; sie stellt aber auch sicher, dass die Münzen ohne zentrale Autorität authentifiziert werden und so einen anerkannten Wert haben.
Laut Digiconomist.net macht das Netzwerk der Bitcoin-Schürfer zurzeit gut eine Milliarde Dollar Gewinn pro Jahr bei einem Umsatz von knapp 4,5 Milliarden Dollar. Davon gehen 60 Prozent für Stromrechnungen drauf, weitere 17 Prozent für Hardwareaustausch und andere Kosten. Der Kurs der Münzen hat extreme Sprünge gemacht. Er ist seit 2016 von 430 Dollar bis zu einem Spitzenwert von 19 400 Dollar im Dezember 2017 gestiegen und dann wieder auf gut 6400 Dollar gesunken. Verglichen damit sind die Kursschwankungen der realen Metalle unbedeutend.
Der Stromverbrauch hat auch einen großen Ausstoß von Treibhausgasen zur Folge. Da viele der Bitcoin-Minen in China angesiedelt sind, nutzen sie Elektrizität aus Kohlekraftwerken. Das bedeute Emissionen, die viermal so hoch sind, als wenn die Computer in Kanada stünden, hat Max Krause berechnet. Seine Studie kommt auf bis zu 13 Millionen Tonnen CO₂, die innerhalb der untersuchten 30 Monate allein für das Bitcoin-Netzwerk in die Atmosphäre gelangten. Digiconomist.net rechnet mit 35 Millionen Tonnen allein für 2018.
Die Autoren eines Kommentars in Nature Climate Change von Ende Oktober dieses Jahres sprechen sogar von 69 Millionen Tonnen CO₂-Ausstoß für 2017. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im gleichen Jahr etwa 800 Millionen Tonnen Kohlendoxid ausgestoßen. Dabei geht es aber nicht nur um das Schürfen der virtuellen Münzen, sondern auch um den Handel und die Spekulation damit. Das Team um Camilo Mora von der University of Hawaii warnt darum, Bitcoin könne alle Versuche zunichte machen, die Klimakrise zu bewältigen. Setze sich das Wachstum wie bisher fort, werde wegen des Stromverbrauchs schon in elf bis 22 Jahren so viel Treibhausgas emittiert, dass die Zwei-Grad-Grenze der globalen Erwärmung nicht mehr zu halten ist.
Dazu müsste die digitale Währung jedoch im Alltag als Zahlungsmittel ankommen. Bei jeder Transaktion nämlich ist ein ähnlicher Rechenaufwand nötig wie beim Schürfen neuer Münzen. Darum verbraucht laut Digiconomist.net eine Überweisung mit Bitcoin mehr Strom als 400 000 Kreditkarten-Zahlungen. Andere Kryptowährungen wie Ethereum und Litecoin gehen sparsamer mit der Energie um. Zurzeit allerdings stellen Bitcoin mehr als die Hälfte des Vermögens von 214 Milliarden Dollar dar, das in dem digitalen Geld steckt.