Biologie:Bäume zählen

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Wie viel Holz gibt es eigentlich auf dem Planeten Erde? Erstmals haben Wissenschaftler mit Hilfe von Radarsatelliten die Wälder der Welt ganz genau vermessen.

Von Tina Baier

Dass Wälder wichtig für das Klima sind, lernen Kinder schon in der Grundschule. Doch wie genau sie es beeinflussen und welche Auswirkungen umgekehrt der vom Menschen verursachte Klimawandel auf die Wälder hat, wissen selbst Klimaforscher noch nicht genau. Zum besseren Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge könnte jetzt eine Karte beitragen, die zeigt, wie viel Biomasse es in den Wäldern der Welt gibt. Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) Daten von Radarsatelliten ausgewertet, die Wellen im Zentimeterbereich aussenden. Diese werden unter anderem von Stämmen, Ästen und Zweigen reflektiert und anschließend vom Satelliten wieder aufgefangen. "Anders als optische Aufnahmen, die lediglich die Flächen zeigen, die mit Wald bedeckt sind, zeigt die neue Karte auch, wie hoch die Bäume sind und wie dicht sie stehen", sagt Carsten Pathe, Geoinformatiker an der Universität Jena, der an der Auswertung der Daten beteiligt war. Einfach gesagt lässt sich aus der Karte ablesen, wie viel Holz es in den Wäldern gibt.

Das zu wissen ist wichtig, weil Bäume große Speicher für das Treibhausgas Kohlendioxid sind. Pflanzen filtern nämlich während der Fotosynthese CO₂ aus der Luft und verwandeln es unter anderem in Holz. Geschätzt entfernen sie so etwa ein Viertel der menschengemachten CO₂-Emissionen wieder aus der Luft und verringern dadurch den Treibhauseffekt. Allerdings nur vorübergehend: Wenn ein Baum verrottet oder verbrennt, wird das gespeicherte Kohlendioxid wieder frei. Auf der Karte ist unter anderem zu erkennen, dass der tropische Regenwald in Brasilien und die borrealen Nadelwälder in Kanada besonders große CO₂-Speicher sind. "Ziel des Projekts ist es, den Einfluss der Waldbiomasse auf den Kohlenstoffkreislauf der Erde genauer zu untersuchen und damit auch den Klimawandel besser zu verstehen", sagt Pathe.

Klar ist, dass Wälder nicht nur den Treibhauseffekt abschwächen, sondern dass umgekehrt auch der Klimawandel Auswirkungen auf die Wälder hat. Bäume können sich an veränderte Umweltbedingungen nämlich nicht so schnell anpassen wie viele andere Lebewesen, weil sie langsam wachsen und sich deshalb auch nur langsam entwickeln. Das gilt auch für die Wälder in Deutschland, die etwa ein Drittel der Gesamtfläche bedecken. Forstökologen gehen davon aus, dass in Zukunft Hitze und Dürreperioden vor allem den Buchen im norddeutschen Tiefland zusetzen werden, die sich auf den sandigen Böden dort schon jetzt nicht besonders wohlfühlen. Im Südwesten Deutschlands wird es aufgrund des Klimawandels möglicherweise mehr und heftigere Stürme geben, was vor allem den Fichten zu schaffen machen dürfte, die wegen ihrer flachen Wurzeln anfällig für Sturmschäden sind.

Dazu kommt, dass weltweit die Wälder nach wie vor schrumpfen. Nach dem jüngsten Bericht der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, waren im Jahr 1990 immerhin 4128 Millionen Hektar von Bäumen bedeckt. 2015 waren es nur noch 3999 Millionen Hektar. Das ist ein Verlust von 129 Millionen Hektar Wald, einer Fläche so groß wie Südafrika. Die gute Nachricht ist, dass sich wenigstens das Tempo verlangsamt hat, in dem der Wald schwindet.

Die von Bäumen bedeckte Fläche ist nicht viel einfacher zu bestimmen als die Biomasse, da sie sich ständig verändert: Während es etwa in Südamerika und Afrika immer weniger Wald gibt, dehnt er sich in Ländern wie China, Portugal und Großbritannien sogar wieder aus, weil dort gezielt aufgeforstet wird. Allerdings ist ein Urwald wie der brasilianische Regenwald allein schon wegen seiner riesigen Artenvielfalt aus ökologischer Sicht wertvoller als ein junger, von Menschen angelegter Forst.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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