Erderwärmung:Im Klimaschutz geht nichts ohne die Städte

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Photovoltaik in der chinesischen Metropole Wuhan: Erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch (Foto: Getty Images)

Ob München oder Addis Abeba: Städte sind der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel. Doch die Kommunen brauchen mehr Unterstützung.

Gastbeitrag von Christiana Figueres

Die Atmosphäre ist blind. Sie kennt keine geografischen Grenzen. Jede Tonne an CO₂-Emissionen ist daher - unabhängig vom Emissionsort - eine Tonne mehr, über die wir uns Sorgen machen müssen. Obwohl die Nationen dieser Welt so uneins sind wie seit dem Fall der Berliner Mauer nicht mehr, müssen sie sich der Tatsache stellen, dass alle Menschen eine einzige Atmosphäre teilen. Alle sind von den Auswirkungen der Treibhausgasemissionen betroffen, die ein beispiellos hohes Niveau erreicht haben.

Das Ergebnis ist eine Welt, in der schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, Rekorddürren, Stürme und Überflutungen bereits jetzt enorme Schäden und menschliches Leid verursachen.

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Die Beispiele zeigen: Der Klimawandel ist bereits Realität. Noch aber bleibt Zeit, die Weltwirtschaft so umzubauen, dass sie Wohlstand für alle schafft. Diese Chance muss genutzt werden. Das Pariser Klimaabkommen ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Diese einzigartige und historische globale Übereinkunft war möglich, weil die Länder erkannt haben, dass der Kampf gegen den Klimawandel zuvorderst den jeweils eigenen nationalen und lokalen Interessen dient.

Die Städte spielen bei der Umsetzung der global formulierten Ziele eine herausragende Rolle. Sie beherbergen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und verbrauchen mehr als zwei Drittel der weltweiten Energie - aber sie sind auch die Orte, wo grüne Initiativen Realität werden. Sie leisten den Brückenschlag zu den politisch Verantwortlichen auf der globalen Ebene, indem sie aufzeigen, was konkret möglich ist. So helfen sie den Staaten, ihre Klimaschutz-Ziele ambitionierter zu gestalten.

München will vollständig auf erneuerbare Energie umsteigen

Um zu sehen, wie das funktioniert, brauchen wir nur nach München zu schauen. Während Deutschlands Energiewende darauf abzielt, bis zum Jahr 2050 mindestens 80 Prozent des Stroms durch erneuerbare Energien zu decken, ist München bereits einen Schritt weiter. Die bayerische Landeshauptstadt will bis 2025 in ihren eigenen Anlagen genug Ökostrom produzieren, um 100 Prozent des Strombedarfs der gesamten Stadt zu decken und damit als erste Stadt der Welt mit mehr als einer Million Einwohnern vollständig auf erneuerbare Energie zu setzen. Schon heute deckt München die Hälfte seines Energieverbrauchs durch erneuerbare Energien ab.

Lokale Maßnahmen in München und vielen anderen Städten im ganzen Land tragen dazu bei, nationale Ziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen. Solche Anstrengungen sind auf allen Ebenen notwendig, um die Pariser Ziele zu erreichen und die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Länder benötigen dazu die Unterstützung der Kommunen. Es sind die Städte, in denen konkrete Projekte zur Dekarbonisierung und zur Klimaanpassung umgesetzt werden - sei es durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Elektromobilität, öffentliche Fahrradflotten, effiziente Gebäude, saubere Energie, Abfallmanagement oder Hochwasserschutz.

Nehmen wir zum Beispiel Addis Abeba in Äthiopien. Im Jahr 2015 wurde mit dem Addis Abeba Light Rail Transit Project das erste Stadtbahnsystem Afrikas südlich der Sahara verwirklicht. Für die Stadt war der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrssystems ein großer Erfolg. Transport und Verkehr alleine macht 47 Prozent der Gesamtemissionen der Stadt aus, die durch das neue Stadtbahnsystem erheblich reduziert werden. 6000 grüne Jobs wurden geschaffen. Addis Abeba arbeitet nun auch mit anderen Städten in Äthiopien zusammen, um sie bei der Umsetzung ähnlicher Projekte zu unterstützen. Projekte, die dazu beitragen, dass Äthiopien sein Ziel, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 64 Prozent zu reduzieren, tatsächlich erreichen kann.

"Ziel muss es sein, von 2020 an jedes Jahr eine Milliarde Dollar für grüne Investments aufzubringen"

Doch grüne Infrastrukturprojekte wie in München, Addis Abeba und anderen Städten rund um den Globus erfordern Geld: Der Global Commission on the Economy and Climate zufolge ganze vier Billionen Dollar. Doch bisher wissen die Städte kaum, wo sie das Geld hernehmen sollen. Möglich und wünschenswert wäre, dass Städte, nationale Regierungen und große Unternehmen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten verstärkt grüne Anleihen auflegen und die Emissionstätigkeit insgesamt deutlich erhöhen. Ziel muss es sein, von 2020 an jedes Jahr eine Milliarde Dollar für grüne Investments aufzubringen. Man darf zuversichtlich sein, dass dieses Ziel erreich wird.

Im vergangenen Jahr übertrafen grüne Anleihen sämtliche Erwartungen und erreichten ein Emissionsvolumen von 155,5 Milliarden Dollar. Für dieses Jahr rechnet die Ratingagentur Moody's damit, dass die Emissionen grüner Anleihen ein Volumen von 250 Milliarden Dollar übersteigen könnte. Die Städte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Mexiko-Stadt beispielsweise hat als erste Stadt in Lateinamerika eine grüne Anleihe über 50 Millionen Dollar bei privaten Investoren platziert. Ziel ist es, durch LED-Beleuchtung und bessere Lösungen für das Verkehrssystem zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid einzusparen.

Da Investitionen in den Klimaschutz sowohl Umweltvorteile als auch attraktive Renditen bieten, sind sie für Anleger interessant und letztlich unverzichtbar. Ihr Erfolg spricht für sich selbst und wird nicht aufzuhalten sein. Sie stehen für renditestarke Investitionen in die langfristige wirtschaftliche Entwicklung, in Arbeitsplätze, Chancen, Wachstum und Nachhaltigkeit.

Öffentliche Mittel und Entwicklungsgeld allein reichen nicht aus, um den erforderlichen Ausbau der Infrastruktur in der gebotenen Geschwindigkeit zu realisieren. Städte können den Wandel sehr viel schneller vollziehen, wenn sie diese Mittel nutzen, um zusätzlich private Geldzuflüsse in beträchtlicher Größenordnung zu mobilisieren. Das Global Urbis Programm zeigt beispielhaft, wie es funktionieren kann. Das Programm wurde im vergangenen Jahr durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und den globalen Bürgermeisterkonvent für Klima und Energie aufgelegt. Heute finanzieren die Beiträge der Geldgeber bereits grüne städtische Infrastrukturprojekte in aller Welt mit 50 Millionen Dollar. Durch die Finanzierung und technische Hilfe konnten weitere 360 Millionen Dollar an privaten Investitionen locker gemacht werden.

Die Welt ist also auf einem gutem Weg, den Emissionstrend bis zum Jahr 2020 umzukehren. Städte gehen auf diesem Weg im Namen ihrer Bürger voran. Bessere Zukunftsperspektiven für Städte bedeutet eine bessere Zukunft für uns alle, die wir uns die kostbare Atmosphäre dieses Planeten teilen.

Christiana Figueres, 61, ist stellvertretende Vorsitzende des globalen Städteverbunds "Global Covenant for Climate and Energy" und ehemalige Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der UN.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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