Atomkraftwerk Fukushima I:Tepco beginnt mit gefährlicher Bergung der Brennstäbe

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Die Brennstäbe in der Ruine des Reaktorblocks 4 im havarierten Kernkraftwerk Fukushima Daiichi werden in Spezialbehälter umgeladen. Die Bergung ist ein schwieriges Unterfangen, da die Techniker unbedingt vermeiden müssen, dass die Brennstäbe zerbrechen. Im schlimmsten Fall droht eine neue Katastrophe.

In der Atomruine Fukushima Daiichi hat die Betreibergesellschaft Tepco an diesem Montag mit der Bergung von mehr als 1500 Brennelementen aus dem Abklingbecken eines beschädigten Reaktorgebäudes begonnen. Die Elemente, die jeweils aus etwa 70 Brennstäben bestehen, befinden sich in einem Becken in Reaktorblock 4 in etwa 18 Metern Höhe. Aufgrund der Beschädigung des Gebäudes gelten sie neben den täglich zunehmenden Massen verseuchten Wassers als eine der größten Gefahrenquellen auf dem Gelände.

In Reaktorgebäude 4 war es zwar, anders als in den Blöcken 1, 2 und 3, nicht zur Kernschmelze gekommen, da der Reaktorkern keine Brennstäbe enthielt. Am 15. März 2011, vier Tage nach der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe im Osten Japans, hatte es jedoch eine Wasserstoffexplosion gegeben. Das Dach und Teile der Wände im dritten, vierten und fünften Stock wurden weggesprengt. Das Abklingbecken im Block 4, in dem die heißen Brennstäbe nach ihrem Einsatz im Reaktor teilweise über Jahre abkühlen müssen, blieb zwar weitgehend unbeschädigt. Es wird jedoch befürchtet, dass sich das bei einem erneuten Erdbeben ändern könnte.

Tepco hat deshalb neben und über dem zerstörten Reaktorblock ein neues Gebäude errichtet, das einen Kran trägt. Mit diesem wurde ein Spezialbehälter in das Abklingbecken transportiert. Ein kleinerer Kran wird die Brennelemente mit einem Haken aus dem Wasser in den Spezialbehälter heben.

Das Abklingbecken wurde zuvor von größeren Trümmerteilen befreit, damit der Kran an die Brennstäbe herankommt. Kleinere Trümmer befinden sich allerdings noch im Becken und es ist zu hoffen, dass sie die Brennstäbe bei der Umlagerung nicht beschädigen.

Es befinden sich noch 1331 Brennelemente mit abgebrannten sowie 202 mit unbenutzten Brennstäben in dem Abklingbecken. In den 90 Tonnen schweren Container, der den deutschen Castoren ähnelt, passen jeweils 22 Brennelemente hinein. Ist der Behälter voll, wird er mit dem großen Kran auf einen Lkw gehoben, der ihn zu einem anderen, hundert Meter entfernten Becken transportiert. Dort sollen die Uran- und Plutonium-Brennstäbe laut Tepco sicherer als bisher gelagert werden können.

Drei der Brennelemente wurden allerdings bereits vor dem Erdbeben am 11. März 2011 so schwer beschädigt, dass sie sich nicht auf diese Weise umlagern lassen. Aus zwei Bündeln tritt radioaktives Gas aus. Es werde noch überlegt, was diesbezüglich zu tun sei, sagte eine Tepco-Sprecherin kürzlich der Nachrichtenagentur Reuters.

Bergung mit "höchster Vorsicht"

Fachleute halten die Operation für gefährlich, da schon wegen der Trümmer, die sich noch im Abklingbecken befinden, ein sicherer Umgang mit den Brennstäben nicht garantiert werden könne. Sollten die Brennstäbe zerbrechen, kann radioaktives Gas entstehen und die Umgebung kontaminieren. Im schlimmsten Falle kann es zu einer Explosion kommen, sogar eine Kernschmelze im Abklingbecken ist nicht völlig ausgeschlossen. Die dann mögliche Katastrophe könnte die Ausmaße des Super-GAUs von 2011 noch übertreffen, sagte Arnie Gundersen, ein ehemaliger Kernkraftingenieur und Chef der US-Organisation Fairewinds Energy Education zu Reuters.

Deshalb, so sagte der Chef der japanischen Atomaufsichtsbehörde, Shunichi Tanaka, müsste die voraussichtlich ein Jahr lang dauernde Bergung mit "höchster Vorsicht" erfolgen. Die Umlagerung gilt als erster großer Schritt zur Stilllegung des AKWs. Der vollständige Rückbau der Anlage dürfte etwa 30 bis 40 Jahre dauern.

Seit dem Atomunglück von Fukushima nach einer Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe im März 2011 kämpft Tepco mit den Folgen. Durch etliche Lecks sind Tausende Tonnen radioaktiv verseuchten Wassers, das zu Kühlzwecken an den beschädigten Reaktoren eingesetzt und in Wassertanks gelagert wird, in den Pazifischen Ozean gelangt.

Ein Video, in dem Arnie Gundersen von Fairewinds Energy Education die Probleme mit dem Abklingbecken erklärt, finden Sie hier.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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