Astronomie:Rätselhafter Stern weckt Alien-Phantasien

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Künstlerische Darstellung einer Dyson-Sphäre, hier bestehend aus mehreren Ringen, die Sonnenenergie aufnehmen. (Foto: Arnero/Wikimedia)

Die Leuchtkraft von "KIC 8462852" schwankt auffällig stark. Weil er von Sonnenkollektoren umkreist wird, gebaut von Außerirdischen? Forscher sind elektrisiert.

Von Robert Gast und Patrick Illinger

Es gibt bekanntlich viele Suchbegriffe, die bei Google oder in sozialen Netzwerken Zehntausende Treffer auslösen. Popstars und politisch brisante Themen gehören dazu. Neuerdings ist auch "KIC 8462852" so ein Klickbringer. Was klingt wie eine Telefonnummer, ist die astronomische Bezeichnung eines 1450 Lichtjahre entfernten Sterns im Weltall. Und der bekommt im Moment so viel Aufmerksamkeit wie ein Popstar. Mehr als 90 000 Treffer lieferte Google am Donnerstagabend. Und der Kurznachrichtendienst Twitter quillt über mit "KIC 8462852"-Meldungen.

Was ist passiert? Bereits im September erschien eine wissenschaftliche Publikation über ungewöhnliche Schwankungen der Leuchtkraft des Sterns. Amateurastronomen hatten diese in öffentlich zugänglichen Daten des Weltraumteleskops Kepler entdeckt. Die Signale zeigten auffallend unregelmäßige Einbrüche der Helligkeit in den Jahren 2009, 2011 und 2013. Im letztgenannten Jahr gab es sogar eine ganze Serie von kurzzeitigen Verdunkelungen, bei denen KIC 8462852 bis zu einem Fünftel seiner Strahlkraft verlor.

Bald erreichte das Thema das populärwissenschaftliche Magazin New Scientist, wo die Daten von Fachleuten als Kometenschweif interpretiert wurden, der den Stern umkreist. Die Astronomin Tabetha Boyajian von der Universität Yale gab im New Scientist ihrer Verwunderung über die kuriosen Signale Ausdruck, verfasste ein akademisches Papier mit möglichen Erklärungen - und schickte die Daten einem Kollegen namens Jason Wright, der sich seit Jahren mit einer ganz anderen astronomischen Frage befasst: Wie würde man Signale von Außerirdischen im All erkennen? Und als Wright den Begriff "Alien" öffentlich auch nur andeutete, brach eine mediale Kaskade los. Da hilft es nun auch nicht mehr, dass sowohl Boyajian als auch Wright die Chance, tatsächlich außerirdisches Leben entdeckt zu haben, für extrem gering halten. Andererseits: Wenn Außerirdische interplanetare Solarmodule bauen würden, dann könnte es schon sein, dass. . .

Eine riesige Hohlkugel um die Sonne - oder ein Schwarm von Satelliten

Könnte es? Das mittlerweile defekte Kepler-Teleskop war sensibel auf Lichtschwankungen, denn diese können verraten, ob ferne Sterne Planeten haben, die als Schatten vorüberziehen. Wiederholen sich Verdunkelungen in periodischen Abständen, schließen Forscher auf fremde Planetensysteme. Doch während Exoplaneten ihre Sterne nur minimal verdunkeln, bricht die Lichtkurve von KIC 8462852 mitunter wochenlang massiv ein. Ein Planet könnte sein Zentralgestirn nicht derart verdunkeln. Das lässt Raum für Phantasien.

Einer populären Spekulation von E.T.-Forschern zufolge könnten fortschrittliche Außerirdische gewaltige Bauwerke im Weltall errichten, sogenannte Dyson-Sphären. Sie gehen auf den Physiker Freeman Dyson zurück, der in den 1960er-Jahren in Science spekulierte, wie die Menschheit der Zukunft ihren Energiebedarf decken könnte. Eine riesige Hohlkugel um die Sonne, die mit Solarzellen Licht auffängt, war ein Konzept. Heute hält man eher einen Schwarm von Satelliten für möglich, vielleicht mit Fabriken im All. Sie könnten die Lichtkurve eines Sterns verdunkeln so wie die von KIC 8462852, schwärmen SETI-Forscher nun.

Allerdings gibt es jede Menge astronomischer Phänomene, die ebenfalls als Erklärung taugen. So strahlen nicht alle Sterne so gleichmäßig wie die Sonne. Manche Feuerbälle sind wahre Diven. Denkbar ist auch, dass ein riesiges Trümmerfeld um KIC 8462852 kreist und den Stern verdunkelt. Die Brocken könnten beim Zusammenstoß zweier Asteroiden entstanden sein, oder als ein Komet mit einem Planeten kollidierte. Am wahrscheinlichsten ist aber noch immer die ursprünglich in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlichte Erklärung: Kometen, die auf einer stark eierförmigen Bahn ihrem Stern nahe gekommen sind, die Hitze nicht überstanden haben und eine riesige, wabernde Staubwolke erzeugt haben.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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