Aschewolke über Deutschland:Was wirklich in der Luft liegt

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Endlich valide Daten? Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt haben einen Messflug zur Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull gewagt.

Susanne Klaiber und Christopher Schrader

Der einsame Jet, der am Montagnachmittag im bayerischen Oberpfaffenhofen startete, sollte ein Stück Realität vom Himmel holen. Seit Tagen ist schließlich der Luftraum über Deutschland fast durchgehend gesperrt, weil sich eine Wolke von Vulkanasche über ganz Europa gelegt hatte. Doch erst am fünften Tag nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull machten sich die Experten daran, die Konzentration der möglicherweise schädlichen Glas- und Lavapartikel über Deutschland nachzumessen.

Aufbruch zum Messflug: DieFalcon 20Edes Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beim Start in Oberpfaffenhofen. (Foto: Foto: dpa)

Sehr zum Ärger vor allem der Fluglinien gab es bis dahin nämlich vor allem qualitative Messungen zur Vulkanwolke. Die Sperrung des Luftraums war gar nur auf der Basis von Computersimulationen verfügt worden. Die Lufthansa und einige andere Gesellschaften, die ein paar Maschinen mit Sondergenehmigung und ohne Passagiere hatten fliegen lassen, berichteten hinterher in einem anklagenden Ton, die Flugzeuge seien ohne einen Kratzer gelandet. Darum versprachen sie sich, wie alle anderen, handfeste Daten von dem Flug der Falcon 20E des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Beschuss mit Laserstrahlen

Das Flugzeug mit den beiden am Heck montierten Triebwerken und dem markanten rot-weiß geringelten Mast an der Nase, sollte in etwa drei Stunden auf Höhen zwischen 7000 und 10.000 Metern einmal gegen den Uhrzeigersinn um Deutschland herumfliegen. Unter den Flügeln hingen Sonden, die die vorbeiströmende Luft analysierten. Unten aus dem Rumpf ragte der Messkopf eines sogenannten Lidar-Geräts. Es schießt Laserstrahlen in die Luftschichten unter der Maschine und wertete dann die Reflektionen aus. "Daraus gewinnen wir Informationen über die Konzentration der Aschepartikel auf der Flugbahn", sagt Sabine Göge vom DLR. Am Dienstagmittag sollen die Messergebnisse ausgewertet sein.

Die Ergebnisse könnten die Forscher dann mit den Resultaten von Testflügen des Flugzeugbauers Airbus vergleichen. Er ließ am Montag zwei speziell ausgestattete Maschinen über seinen Werken Frankreich und Deutschland fliegen. Früher als am Montagnachmittag hätte die DLR-Maschine trotz aller Kritik nicht starten können, so Göge.

"Wir haben am Freitag, also einen Tag nach dem Ausbruch auf Island, auf eigene Initiative damit begonnen, die Maschine umzurüsten. Sie war für eine ganze andere Mission ausgestattet worden, wir mussten die Instrumente komplett austauschen." Das ganze Wochenende hätten die Kollegen geschuftet, auch die Genehmigungen verschiedener Behörden seien sehr schnell erteilt worden.

Erst Sonntag sei dann der offizielle Auftrag vom Bundesverkehrsministerium gekommen. "Das haben die wirklich in Rekordzeit geschafft", bestätigt die Atmosphärenforscherin Martina Krämer vom Forschungszentrum Jülich, "normalerweise dauert so etwas eine ganze Woche."

Die Atmosphärenforscherin aus dem Rheinland hat am Wochenende auch selber Messungen mit einem ähnlichen Lasergerät gemacht. "Zwischen 7500 und 10.000 Metern Höhe konnten wir Vulkanpartikel nachweisen. Allerdings verrät uns unser Gerät nichts über die Konzentration der Teilchen."

Immerhin konnten die Forscher beobachten, wie sich der Himmel über Jülich veränderte: In den Nächten von Freitag auf Samstag und von Sonntag auf Montag schwebte der Vulkanstaub in der Luft, dazwischen war der Himmel klar.

Auf der nächsten Seite: Forscher aus der Schweiz und aus Großbritannien waren schneller als die Deutschen. Lufthansa-Techniker melden keine Auffälligkeiten.

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Über Bayern hingegen hing die Vulkanwolke am Samstag, wie Forscher um Bernhard Mayer von der Universität München mit ihrem Laser sahen. "Da hingen ganz eindeutig scharfkantige kleine Steinchen in etwa drei Kilometern Höhe", sagt der Atmosphärenforscher. Am Sonntag dann vermeldete auch der Deutsche Wetterdienst, er habe über dem Observatorium Hohenpeißenberg Vulkanpartikel gesehen.

Offenbar waren in Deutschland nur wenige Forschungsinstitute überhaupt in der Lage, Daten zur Vulkanwolke zu liefern. Dem Deutschen Wetterdienst hingegen fehlte dazu bisher offenbar das Know-how. Von 40 bis 50 Geräten, die im Prinzip in der Lage gewesen wären, entsprechende Messungen zu machen, lief nur das eine auf dem Hohenpeißenberg, sagt DWD-Sprecher Gerhard Lux: "Wir haben noch keinerlei Erfahrung mit solchen Messungen."

Viel schneller waren zum Beispiel die Schweizer, die nicht nur per Laser, sondern auch mit Wetterballons und einem Flugzeug am vergangenen Wochenende Informationen sammelten. "Wir konnten in einer Höhe zwischen vier und fünf Kilometern einen besonders hohen Anteil an Vulkanaerosolen feststellen", sagte Thomas Peter, Professor an der ETH Zürich.

"Die Daten passen gut"

Auch der britische Wetterdienst hatte sein Flugzeug seit Freitag dreimal starten lassen und Messgeräte an einzelnen Stationen "mit einem aufgesetzten Filter" zur Asche-Detektoren umgerüstet, wie der Pressesprecher Barry Gromett erklärt. "Die Daten passten gut zu den Vorhersagen des Volcanic Ash Advisory Centre in London."

Diese Stelle gibt seit Tagen für große Teile des europäischen Luftraums roten Alarm. Zwei spezialisierte Meteorologen sagen dort anhand der Wetterentwicklung die voraussichtliche Verbreitung der Aschepartikel voraus - allerdings auch ohne Informationen über die Konzentration machen zu können. Darum wurde in Deutschland kritisiert, dass sich Wetterdienst und Flugsicherung auf die Alarmmeldungen aus London stützte, ohne eigenen Daten zu haben. "Es wird jetzt gerade erst darüber beraten, wie die Einzelmessungen aus vielen Teilen Europas in die Vorhersagen aus London einfließen können", sagt DWD-Sprecher Lux.

"Keine Auffälligkeiten"

Auch die Beobachtungen von Piloten könnten dort Beachtung finden. Seit Samstag hat zum Beispiel die Lufthansa jeden Tag einige Maschinen verlegt. Sie sind dabei womöglich von München gen Frankfurt startend genau durch die Schicht geflogen, die die Forscher von der Universität München nachgewiesen hatten. Lufthansa-Mechaniker hätten sie hinterher jeweils genau geprüft, sagt der Unternehmenssprecher Thomas Jachnow. "Es gab keine Auffälligkeiten, auch eine mögliche vorzeitige Alterung der Treibwerke wäre den Technikern aufgefallen."

Das Bundesverkehrsministerium lässt die implizite Kritik in solchen Aussagen nicht gelten: "Wenn an diesen Flugzeugen keine Schäden beobachtet worden sind, lässt dies keinesfalls den Rückschluss zu, die Aschekonzentration im deutschen Luftraum sei für den Luftverkehr ungefährlich", hieß es in einer Erklärung. Tatsächlich ist am Wochenende offenbar mindestens ein Militärflugzeug durch Partikel in der Luft beschädigt worden. Der NATO-Kampfjet vom Typ F-16 landete nach einem Testflug über Europa mit Glas - entstanden aus geschmolzener Vulkanasche - im Triebwerk, sagte ein ranghoher US-Beamter am Montag in Brüssel.

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