Globuli sind ein beliebtes "Heilmittel", auch wenn sie keine Wirkstoffe mehr enthalten. Viele Studien, die die Wirksamkeit der Homöopathika untersucht haben, sind nicht gut gemacht, sagen Kritiker.
(Foto: voodoo! / photocase.com)Ungewöhnliches geht vor sich an der Universität Zürich. Das Universitätsklinikum sucht derzeit nach einem geeigneten Kandidaten für den Lehrstuhl für Naturheilkunde. Auf den ersten Blick sieht das nach einem alltäglichen Vorgang aus - doch nun ist es zu einem Eklat gekommen, der zwei der bekanntesten Wissenschaftler aus dem Bereich der Naturheilkunde betrifft.
Die Kandidatensuche am "UniversitätsSpital" ist schon wegen der Bedingungen, die der dortige Lehrstuhl bietet, etwas Besonderes: Es ist der einzige im gesamten deutschsprachigen Raum, der nicht durch Lobbygruppen, Wirtschaftsunternehmen oder Krankenversicherungen finanziert wird.
Üblicherweise erforschen Wissenschaftler in Deutschland, Österreich und der Schweiz alternative Heilverfahren mithilfe von Geldern, die zum Beispiel vom Homöopathika-Hersteller Biologische Heilmittel Heel, der Krupp-Stiftung, der Carstens-Stiftung oder anderen Interessengruppen kommen. So hat die Carstens-Stiftung das ausdrückliche Ziel, "Naturheilkunde und Homöopathie in Wissenschaft und Forschung zu integrieren".
Das ist in Zürich anders. Hier soll Forschung auf hohem Niveau, völlig unabhängig und hundertprozentig durch staatliche Gelder finanziert stattfinden, sagt ein Mitglied der Berufungskommission, die über die Besetzung des Lehrstuhls entscheidet. Und er betont, dass hier sogenannte komplementäre Heilverfahren kritisch auf ihre Wirksamkeit geprüft werden.
Zum Beispiel die Homöopathie? Die nun gerade nicht, denn sie sei nicht evidenzbasiert, sagt der Wissenschaftler, der ungenannt bleiben will. Mit anderen Worten, es gibt zu wenig Hinweise auf eine Wirksamkeit, als dass man sich mit ihr noch beschäftigen möchte. Kritiker dieser umstrittenen Alternativmedizin dürften aufhorchen.
Um unter den Kandidaten auf den Lehrstuhl denjenigen Forscher auszuwählen, der die Ansprüche am ehesten erfüllt, hat man einen besonderen Fachmann in die Kommission eingeladen: Edzard Ernst von der britischen University of Exeter ist der wohl bekannteste Kritiker der Komplementärmedizin. Seit zwei Jahrzehnten beobachtet er mit Argusaugen die Arbeit seiner Kollegen und stellt ihre Behauptungen kritisch auf den Prüfstand.
In Zürich wurden inzwischen aus 15 Bewerbern fünf Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt, die sich öffentlich vorstellen durften. Über vier davon lässt sich relativ wenig sagen: Benno Brinkhaus von der Charité in Berlin setzt auf Akupunktur, Mind-Body-Medizin, Neuraltherapie und Pflanzenheilkunde. Jost Langhorst von den Kliniken Essen-Mitte hat ähnliche Schwerpunkte. Florian Pfab vom Münchner Klinikum rechts der Isar beschäftigt sich bislang vor allem mit traditioneller chinesischer Medizin und Phytotherapie. Und Ursula Wolf von der Universität Bern hat als Schwerpunkt die anthroposophische Medizin.
Umstrittene Homöopathie-Studien
Schließlich aber steht auch noch Claudia Witt auf der Liste. Witt hat derzeit den von der Carstens-Stiftung finanzierten Lehrstuhl an der Berliner Charité inne. Und aus mehreren Gründen darf man sich wundern, dass ausgerechnet Witt es bis unter die ersten fünf geschafft hat. Zuerst einmal hat sie sich ausgerechnet mit Arbeiten zu jenem Verfahren einen Namen gemacht, mit dem man sich in Zürich nicht mehr beschäftigen will: der Homöopathie. Zum anderen gibt es an diesen Studien und der Interpretation der Daten durch Witt und ihre Kollegen massive Kritik.
Edzard Ernst etwa hatte sich bereits vor seiner Arbeit in der Berufungskommission intensiv mit Witts Studien auseinandergesetzt. Auf eine Nachfrage von Süddeutsche.de verweist der Homöopathiekritiker auf seine Schweigepflicht über die Arbeit der Kommission in Zürich. Doch was er sagen kann, ist: "Aufgrund ihrer Publikationen halte ich die Kandidatin nicht für fähig, den Bereich der Komplementärmedizin kritisch zu beleuchten". Genau das aber soll der zukünftige Lehrstuhlinhaber tun.
Frau Witt, so sagt Ernst, komme seiner Ansicht nach regelmäßig zu Schlussfolgerungen, die die Homöopathie in einem guten Licht erscheinen lassen, aber durch die Daten nicht gestützt würden. Ein Fachartikel von ihm dazu ist gerade im Sceptical Inquirer (November 2012) erschienen.
Dass es Kritik an Witts Arbeit gibt, bestätigt Jürgen Windeler vom unabhängigen Institut für Qualitätskontrolle und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Windeler hat sich eine der wichtigsten Arbeiten von Witt und ihren Kollegen genauer angeschaut. 2006 veröffentlichten die Wissenschaftler eine Studie zur Behandlung von Patienten mit homöopathischem Arnika nach einer Knieoperation (Complementary Therapies in Medicine, Bd. 14,4). Eine Vergleichsgruppe war mit einem Scheinmedikament behandelt worden. Die Forscher kamen zu dem Schluss: Die beobachteten Effekte "scheinen den Gebrauch von homöopathischer Arnika bei der Wiederherstellung des Kreuzbandes zu rechtfertigen".
Das geben die Daten Windeler zufolge aber nicht her. "Diese Arbeit als Argument für den Nutzen homöopathischer Therapie anzusehen, ist schlechterdings absurd", meint der Experte. "Sie belegt nicht, dass es zwischen Nichts und Nichts einen Unterschied gibt." Gemeint ist das Nichts an Wirkstoff, welches in den extrem verdünnten homöopathischen Mitteln enthalten ist, und das Nichts im Scheinmedikament.