Als die Taliban in Afghanistan 2001 die gewaltigen, 1500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan sprengten, ging ein Aufschrei durch die westliche Welt. Doch zurzeit sind ähnliche Kunstschätze in dem Land bedroht, diesmal mit westlichem Segen.
Eine chinesische Bergbaufirma will in Mes Aynak südlich von Kabul die Ruinen eines antiken buddhistischen Klosters sprengen, um riesige Kupfervorkommen zu erschließen. Dagegen wehren sich afghanische und französische Archäologen, die dort schon mehr als 100 Statuen ausgegraben haben. Zu dem großen Komplex gehören auch sieben sogenannte Stupas, die Grabmäler von Heiligen.
Geologen vermuten gewaltige Bodenschätze in dem Land, und der Westen ermuntert die Regierung, sie auszubeuten. Ein Bericht des Pentagons taxierte den Wert von Kupfer, Eisen, Kobalt und Lithium Mitte Juni 2010 auf eine Billion Dollar. Unter den Ruinen von Mes Aynak liegt Experten zufolge der zweitgrößte Kupfervorrat der Welt; der Drei-Milliarden-Dollar-Vertrag mit einem chinesischen Staatskonzern ist der lukrativste in der Geschichte des Landes.
Das Kloster liegt in 2400 Metern Höhe auf einem Hügel 40Kilometer südöstlich von Kabul. Schon in den 1960er-Jahren hatten Archäologen den Ort entdeckt, aber die Fundstätte wurde nie erschlossen. In den 1990er-Jahren unterhielt al-Qaida hier ein Trainingscamp. Inzwischen haben Plünderer den 4500 Quadratmeter großen Komplex beschädigt, sagt Nader Rassouli, Direktor des Nationalen Instituts für Archäologie in Kabul, das an den Ausgrabungen beteiligt ist. "Die Fundstätte ist riesig, und wir haben erstaunliche Ruinen entdeckt."
Zu den Funden gehören drei Dutzend Tonfiguren, darunter ein liegender Buddha von fünf Metern Länge, sowie Dutzende Figuren aus Holz oder Stein. Rassouli schätzt, dass sich die Ruinen über 100 bis 400 Hektar erstrecken.
Das Kloster hatte seine Blütezeit vom zweiten Jahrhundert vor bis mindestens ins sechste Jahrhundert nach Christus, sagt Philippe Marquis, Leiter der französischen archäologischen Mission in Afghanistan. Damals breitete sich der Buddhismus durch die Region nach Zentralasien und China aus, ergänzt Richard Blurton vom British Museum in London.
Mes Aynak könne wichtige Anhaltspunkte für den Aufstieg und Niedergang der Religion in Afghanistan liefern. Offenbar war der Buddhismus in den Nachbarländern Iran und Turkmenistan noch auf dem Vormarsch, als sich auch der Islam schon dort ausbreitete. "Es ist sehr spannend, wie der Buddhismus mit der damals neuen Religion gemeinsam existierte", sagt Blurton.
Schon die Mönche der Kloster wussten offenbar, dass sie auf großen Kupfervorkommen saßen. Aus der ganzen aktiven Zeit der Stätte gibt es Zeichen von Bergbau, sagt Marquis. Auch sowjetische Geologen hatten die Bodenschätze in den 1970er-Jahren erkundet, konnten sie aber wegen des Kriegs nach der Invasion 1979 nicht ausbeuten.
Im Mai 2008 unterzeichnete dann die chinesische Firma den Vertrag über die Schürfrechte. "Dieses Projekt ermöglicht der Regierung und 6000 Arbeitskräften ein hohes Einkommen", sagte der damals zuständige Minister Ibrahim Adel bei der Zeremonie. Ein halbes Jahr später berichtete die Washington Post, Adel stünde unter Verdacht, 30 Millionen Dollar Schmiergeld genommen zu haben. Er bestritt die Anschuldigung, trat aber Anfang 2009 zurück; Anklage wurde nicht erhoben.
Während die Archäologen in Mes Aynak noch arbeiten, bauen chinesische Ingenieure nach Regierungsangaben bereits eine Eisenbahnlinie, ein Kraftwerk und Häuser für die Minenarbeiter. Eine Machbarkeitsstudie des Bergwerks wird erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein, aber afghanische Offizielle nehmen an, dass die Chinesen 200.000 Tonnen Kupfer gewinnen und dem Staat bis zu 400Millionen Dollar pro Jahr überweisen könnten.
Zur Zerstörung des Klosters wollten sich auf Anfrage weder das Bergbauministerium noch die chinesische Firma äußern.
Marquis vergleicht ihre Pläne, Mes Aynak zu sprengen, mit der Zerstörung der Bamiyan-Statuen durch die Taliban. "Präsident Hamid Karsai ist der Einzige, der das stoppen kann", sagt er. Seiner Ansicht nach ließen sich Kupferabbau und Ausgrabungen versöhnen, indem der Staat eine geschützte archäologische Zone um das Kloster anlegt, die später auch Touristen anlocken könnte.
In dem Land, das kurzfristig Geld braucht, könnte dieser Plan schwierig zu verkaufen sein. Darum möchte Rassouli eine internationale Konferenz ausrichten, um öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu bekommen. "Die Zeit ist knapp", sagt er. "Dieser Ort wird in wenigen Monaten zerstört, und wir müssen eine Lösung finden.
Dieser Text ist im Original im internationalen Wissenschaftsmagazin Science erschienen, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www.aaas.org, www.sciencemag.org. Dt. Bearb.: cris