Zwischen den Zahlen:Sag's mit Kater

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Von der ersten kommerziellen Weihnachtskarte aus dem Jahr 1843 existieren heute noch zwölf Exemplare. Eine der Karten steht aktuell in einer Auktion zum Verkauf. (Foto: Dennis M V David/AP)

Manche ertragen Familienidylle nur mit einem Glas Wein. Das deutete sich schon auf den ersten Weihnachtskarten im 19. Jahrhundert an.

Glosse von Carina Seeburg

Die erste kommerzielle Weihnachtskarte war ein Flop. Einen Shilling verlangte Sir Henry Cole, ein britischer Beamter und Autor, im Jahr 1843 für seinen Entwurf. Damit waren die Karten, von der ein Exemplar gerade über ein Bostoner Antiquariat zum Verkauf steht, zwölfmal so teuer wie die zugehörige Briefmarke. Viele Engländer hielten das für einen unchristlichen Preis. Einen handfesten Skandal löste die Karte aber aus einem anderen Grund aus: Fast jedes Mitglied der abgebildeten bürgerlichen Familie, die sich um einen Weihnachtsbraten versammelt hat, hält ein Glas Wein in der Hand. Alte und Junge, bis hin zum Kleinkind. Das war zu viel für die viktorianische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.

Vermutlich war es aber schon damals so, dass manch einer sich die Teilnahme an der weihnachtlichen Familienidylle nur mit alkoholischen Getränken zutraute. Trotz oder gerade wegen des besonders hoch angesetzten Harmoniepegels eskalieren lang gehegte Konflikte ja ausgerechnet in der besinnlichen Zeit. Ob nun aber harmonisch oder nicht - um die Familie kam man an Weihnachten schon im 19. Jahrhundert nicht herum. Der Strukturwandel hin zur privaten bürgerlichen Kleinfamilie und die Entwicklung zur Konsumgesellschaft machten aus Weihnachten aber nicht nur ein Familienfest, sondern auch ein Fest der Geschenke. Besonders im Bürgertum wurde das Sozialprestige zu einem der Hauptmotive des Schenkens. Immer häufiger gehörten dazu auch Weihnachtskarten, sorgsam aufgestellt als Beliebtheitsbarometer auf der Fensterbank.

Der Flop von 1843 entwickelte sich nach dem holprigen Start zu einer Erfolgsgeschichte und später zu einem Millionengeschäft, das bis in die moderne Smartphone-Ära überdauert hat. Und die empörten Engländer des 19. Jahrhunderts hätten sicher gestaunt, was heute neben rotnasigen Rentieren und pink glitzernden Weihnachtsbäumen auf den alljährlich verschickten Grußkarten zu sehen ist. Vom Bier trinkenden Pinguin bis zum betrunkenen Weihnachtsmann ist so ziemlich alles geboten.

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