Zwischen den Zahlen:À la mode

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Couturiers wollen nachhaltig sein, und die Stilbibel verzichtet auf Fotos. Sogar Armani schickt seine Models in Navy-Jacken mit dem Aufdruck "I'm saying yes to recycling" auf den Laufsteg. Ob das die Welt rettet? Vielen ist das suspekt.

Von Ulrike Sauer

Der Planet ruft - und die Mode antwortet. Im Chor. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Grünste im ganzen Land? Auf den Männerschauen in Florenz und Mailand ist Nachhaltigkeit der Mega-Trend. Das neue Must-have ist nicht die Kroko-Tasche, sondern der Rucksack aus recyceltem Nylon. Die Outdoor-Jacke wird aus Lumpen und aus Plastikmüll hergestellt. Für moderne Bürohengste gibt es recycelte Oberhemden. Und für IT-Spezialisten Öko-Denim. Dazu passt ein Parka, der biologisch abbaubar ist. Das Upcycling von Cashmere gehört sowieso zum guten Ton.

Und selbst die Überväter der Glamourbranche sind sich nicht zu schade. Giorgio Armani schickt die Jungs in Navy-Jacken mit dem Aufdruck "I'm saying yes to recycling" auf den Laufsteg. Am Diktat der Achtsamkeit kommt niemand vorbei. Silhouetten? Farben? Egal.

Vielen ist das suspekt. Die Profis des schönen Scheins hätten die Nachhaltigkeit fürs Marketing entdeckt, stänkern die Kritiker. Die Modeindustrie rangiert unter den Klimakillern an zweiter Stelle. Wer Menschen, deren Kleiderschränke überquellen, immer Neues aufschwatzt, gibt sich nur grün. Und schützt ein Geschäftsmodell, das völlig daneben ist.

Ein Motor dieser Modemaschine ist die Vogue. Die italienische Ausgabe des Hochglanz-Magazins wagte sich nun mit einer Provokation ins Rampenlicht: Das Januarheft erschien ohne Fotostrecken. Dafür setzten Künstler die Kleider mit dem Zeichenstift ins Bild. Der Verzicht auf die klimaschädlichen Shootings erübrigte die Expeditionen großer Teams an exotische Orte. Es wurden keine Kurierdienste, keine Scheinwerfer, keine Akkus, kein Catering benötigt. Es war, nun ja, eine einmalige Aktion. Jedoch von bleibendem Wert: Das eingesparte Geld ging an eine Kulturinstitution in Venedig, die beim Jahrhunderthochwasser beschädigt wurde. Und in Mailand machte man sich unbequeme Gedanken: Kann Mode mit ihrem Neuigkeitswahn und Konsumkult überhaupt nachhaltig sein? "Wir haben uns selbst in Frage gestellt", sagt Vogue-Chef Emanuele Farneti. Und stieß damit auf überwältigendes Interesse. Nach einer Woche ist die Auflage fast ausverkauft.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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