Zwischen den Zahlen:20 Gramm und zehn Quadratzentimeter

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Frühstücken im Hotel könnte so entspannend sein. Wäre da nicht die Honig-Verordnung und die Annahme, Konsumenten sollten immer wissen, woher ihr Essen stammt. Ein Lob der Ahnungslosigkeit.

Von Nakissa Salavati

Manchmal ist es besser, man bleibt ahnungslos. Manches Wissen ist Ballast. Das Frühstück im Hotel ist so eine Situation, in der es einem endlich egal sein darf, ob der Lachs artgerecht gehalten wurde, schließlich hat man ihn nicht selbst gekauft, und nun liegt er da und dann isst man ihn auch. Man ärgert sich ein bisschen mit den Mini-Verpackungen von Honig und Marmelade herum, die sich kaum öffnen lassen und, wenn der dünne Plastikdeckel reißt, ihren Inhalt neben das Brötchen spucken. Auf jeden Fall überlässt man die leere Packung sich selbst, verklebt wie sie ist. Auf keinen Fall inspiziert man sie, um herauszufinden, woher der Honig stammt, man zweifelt sowieso, dass das Honig ist.

Aber es gibt Menschen, die wollen aufklären, Wissen verbreiten. Sie beschäftigen sich berufsmäßig mit der Honig-Verordnung und sind überzeugt: Auf der 20-Gramm-Packung im Hotel hat der Konsument Auskunft darüber zu erhalten, woher der Honig stammt. "Berechtigtes Informationsinteresse" nennen Wissensbürokraten das, und daran hat man sich zu halten. Da sich ein Münchner Honig-Abfüller nicht daran hielt, verhängte die Stadt München ein Bußgeld. Das Ganze ging vor Gericht, ein jahrelanger Streit. Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Unternehmen abblitzen lassen. Schließlich müssen vorverpackte Lebensmittel ab einer Größe von zehn Quadratzentimetern Angaben zum Ursprungsland enthalten. Diese 20 Gramm und zehn Quadratzentimeter hätten, meint der Anwalt der Firma - nun wird es wirtschaftlich - eine "wahnsinnig ökonomische Dimension". Auch Hersteller anderer Mini-Packungen seien betroffen; und die Aufklärung passe auf das bisschen Plastik auch nicht drauf. Einige Hotelgäste fassen Abgepacktes eh nicht an, sie essen Brei aus einem mitgebrachten Glas. Sind das Chia-Samen aus Mexiko? Ach stimmt, will man gar nicht wissen.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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