Zwangshilfen gegen Kreditklemme:Berlin drängt, Banken warten

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Die Angst vor der Kreditklemme geht um -der Bund will handlen. Was es bedeuten würde, wenn Deutschland Banken zwangskapitalisierte.

M. Hesse, C. Hulverscheidt, A. Oldag u. N. Piper

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Chefs der deutschen Banken notfalls persönlich drängen, ihre Zurückhaltung bei der Kreditvergabe an Firmen aufzugeben.

Die Sonnenschirme eines Straßencafés vor dem Hintergrund der Frankfurter Skyline - ein Bild mit Symbolcharakter: Die Bundesregierung überlegt, die Banken unter den Rettungsschirm zu zwingen. (Foto: Foto: dpa)

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, falls erforderlich werde Merkel die Vorstandsvorsitzenden ansprechen. Ein erster Krisengipfel unter der Leitung von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) soll bereits am 1. September in Berlin stattfinden.

Sorge vor der Kreditklemme

Merkel und Steinbrück treibt die Sorge um, dass es im Herbst in ganz Deutschland zu einer Kreditklemme kommen könnte, die die Rezession weiter verschärfen würde.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird deshalb in der Regierung unter persönlicher Beteiligung Merkels über Auswege diskutiert - neben Alternativen auch, die Banken nach dem Vorbild der USA und Großbritanniens zur Annahme von Staatshilfen zu zwingen und die Institute gleichzeitig teilzuverstaatlichen.

Wilhelm wollte den SZ-Bericht dennoch "nicht bestätigen", weil öffentliche Diskussionen darüber das Vertrauen an den Finanzmärkten unterminieren könnten und daher "nicht sinnvoll" seien. Er schloss eine Zwangsrekapitalisierung aber nicht aus.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums erklärte, sollte es trotz eines ganzen Bündels von Hilfsinstrumenten tatsächlich zu einer Kreditklemme kommen, müsse man über zusätzliche Schritte nachdenken.

Helfen Zwangshilfen?

Die Experten der Regierung sind aber nicht sicher, ob Zwangshilfen die Kreditvergabe stimulieren würden. Wilhelm sagte mit Verweis auf Großbritannien, es gebe dafür bisher keine Belege.

Der Regierungssprecher kündigte an, dass die Koalition den Banken zunächst mit einer Änderung der Bilanzregeln mehr Luft für die Kreditvergabe verschaffen wolle. Dazu werde die sogenannte Neubewertungsrücklage rückwirkend zum 30. Juni beim Eigenkapital nicht mehr angerechnet. Die Rücklage ist ein Bilanzposten, die vorübergehende Wertveränderungen bestimmter Wertpapiere abbildet.

Vertreter der Opposition verlangten dagegen einen grundlegenden Kurswechsel. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, die Banken müssten notfalls vor der Wahl durch gesetzliche Voraussetzungen gezwungen werden, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken.

Lafontaine: Großbanken unter staatliche Kontrolle

Der Mittelstand könne es sich nicht leisten, "dass sich Merkel über den Sommer hinweg gipfelt". Der Linken-Parteichef Oskar Lafontaine verlangte, die Großbanken unter staatliche Kontrolle zu stellen. "Nur das stellt sicher, dass kriminellen Geschäfte mit Steueroasen abgestellt, der Handel mit Schrottpapieren eingestellt und die Kredite an die Unternehmen sichergestellt werden".

Die Bankbranche nahm die Überlegungen für eine Zwangskapitalisierung skeptisch auf. In Bankenkreisen hieß es, dass die Regierung nur mit dieser Maßnahme winke, um die Finanzinstitute zu großzügigerer Kreditvergabe zu bewegen.

Man halte es nicht für realistisch, dass die Regierung zu einem Zeitpunkt weitere Banken teilverstaatlicht, wo die US-Regierung sich wieder aus Instituten zurückzieht. Dies sei vor der Bundestagswahl kaum vermittelbar und unpraktikabel.

Vorbild Großbritannien

In Großbritannien hat die Labour-Regierung angeschlagenen Banken Milliardenhilfen zukommen lassen. Dabei hat London von Beginn an eindeutigere Bedingungen als Berlin gesetzt: Die Banken auf der Insel müssen eine Kernkapitalquote von neun Prozent aufweisen.

Wer das nicht mit privatem Geldgebern schafft, muss eine Staatsbeteiligung akzeptieren. Während sich die direkten staatlichen Kapitalhilfen auf 43 Milliarden Euro belaufen, addieren sich Bürgschaften für mögliche Ausfälle von faulen Wertpieren und Krediten bislang auf etwa auf mehr als eine Billion Euro.

Das ist eine Art Versicherung, für die der Staat von den Banken eine Gebühr kassiert. Im Falle eines Ausfalls steht der Steuerzahler gerade. Derzeit hält der britische Staat an den beiden Großbanken Royal Bank of Scotland und Lloyds 70 beziehungsweise 43,5 Prozent.

Die US-Regierung arbeitete von Anfang an mit Zwang: Der damalige Finanzminister Henry Paulson lud im Oktober 2008 die Spitzen der neun größten Banken nach Washington und forderte sie unter massivem Druck auf, Einlagen der Regierung von 250 Milliarden Dollar zu akzeptieren.

US-Banken zahlen das Staatsgeld zurück

Würden sie sich dem entziehen, könnten sie zu einer Kapitalspritze gezwungen werden. Die Logik war klar: Paulson wollte das System stabilisieren. Wäre die Regierung nur den schwächsten Banken beigesprungen, hätte dies zu einem Run auf diese Banken führen können. Außerdem bekam die Regierung einen Hebel, um die Branche zur Disziplin zu zwingen.

Inzwischen haben drei Banken - Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan - das Geld zurückgezahlt. Die schwächeren Banken wurden gezwungen, ihr Eigenkapital um 75 Milliarden Dollar zu erhöhen.

Trotzdem gab es in den USA Debatten, dass die Banken nicht genügend Kredite an die Wirtschaft vergeben. Sie ebbten aber schließlich ab, weil es als wichtiger erachtet wurde, dass der Finanzsektor insgesamt wieder über ausreichend Reserven verfügt.

© SZ vom 21.07.2009/kfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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