ZF Friedrichshafen:Bodenständiger Aufsteiger

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Ziemlich leise arbeitet sich der Stiftungskonzern vom Bodensee zum drittgrößten Autozulieferer der Welt hoch.

Von Stefan Mayr, Friedrichshafen

Wolf-Henning Scheider gibt sich stets bedächtig, bescheiden, bodenständig. Aber wer aus diesem ruhigen Auftritt schließt, dass der Chef des Konzerns ZF Friedrichshafen ein zögerlicher oder gar unsicherer Manager ist, der täuscht sich. Scheider ist schon auch selbstbewusst und weiß sehr genau, was er will. Das ist: Platz drei in der Liste der größten Autozulieferer auf dem Globus. Wenn alles klappt, wird das Stiftungsunternehmen vom Bodensee den US-amerikanischen Bremsenhersteller Wabco übernehmen und damit zur Nummer drei der Welt hinter Bosch und Continental aufsteigen.

6,2 Milliarden Euro legt der 56-Jährige für diesen Deal auf den Tisch, das ist schon eine mächtige Ansage angesichts des allseits erwarteten Abschwungs der Auto-Industrie und einer gerade erst abgeschlossenen Übernahme des US-Zulieferers TRW: Doch Scheider zeigt sich überzeugt, das richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun, zudem sei das Unternehmen bestens aufgestellt für diese Übernahme. Im Geschäftsjahr 2018 stieg der Umsatz der ZF auf 36,9 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) sank zwar von 2,3 auf 2,1 Milliarden, doch das lag auch am starken Euro, höheren Materialpreisen und auch an bewusst gesteigerten Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

"Bei uns bekommen die Kunden künftig alles aus einer Hand."

"Mit Wabco beherrschen wir künftig nicht nur den Antrieb und die Steuerung von Nutzfahrzeugen, sondern auch das Bremsen ", sagte Scheider am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz in Friedrichshafen. Das sei wichtig, weil er als "Komplettsystem-Anbieter" autonom fahrende Lkw auf die Straße bringen will. "Bei uns bekommen die Kunden künftig alles aus einer Hand." Zusätzlich erhalte ZF mit Wabco erstmals Zutritt zum Anhänger-Markt und neue Perspektiven in Indien und China. " Das trägt zur Stabilisierung in der Umbruchphase der Branche bei."

Derzeit hat ZF 149 000 Mitarbeiter, mit Wabco kämen 16 000 Menschen und 3,3 Umsatz-Milliarden dazu. Wenn die Wabco-Aktionäre auf der Hauptversammlung im Mai zustimmen, würde ZF den japanischen Denso-Konzern von Platz drei der Zulieferer-Weltrangliste verdrängen.

Dieser Schritt ist bemerkenswert, da die Zeppelin-Stiftung als Haupteigentümerin erst 2017 die Übernahme von Wabco verhindert hatte. Der Streit zwischen Stiftung und ZF-Chef Stefan Sommer wurde hitzig und öffentlich ausgetragen, Sommer musste gehen und ist heute Vorstand im Volkswagen-Konzern. Offenbar wollte Sommer, der viel forscher auftritt als Scheider, zu schnell zu viel. Scheider dagegen ließ sich und den Eigentümern mehr Zeit - und bekommt jetzt alles. "Wir unterstützen die geplante Akquisition vollumfänglich und begrüßen diesen strategischen Schritt ausdrücklich", sagt Andreas Brand, Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen und Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung. Jetzt sei "ein guter Zeitpunkt", die Voraussetzungen seien heute "günstiger" als vor zwei Jahren. Der Kauf wird zwar auf Kredit finanziert, dennoch sieht Brand kein Risiko trotz der drohenden Krise in der Branche. Im Gegenteil: Er erwartet nach der Übernahme sogar eine "weitere deutliche Verbesserung der Finanzposition" von ZF. Hierzu trage der bisherige Schuldenabbau von ZF und auch die "sehr gute wirtschaftliche Lage" von Wabco bei.

Bereits im März hat ZF die Mehrheit am Unternehmen 2getthere erworben. Die Niederländer sind Experten für fahrerlose Busse und Transporter. Ihre Systeme befördern bereits Menschen und Waren in vielen Häfen und Flughäfen, aber auch in Städten wie Rotterdam, Abu Dhabi und Singapur. Zudem verkündete Wolf-Henning Scheider den größten Einzelauftrag der Firmengeschichte: BMW hat für einen zweistelligen Milliarden-Betrag Automat-Getriebe bestellt. Nach Scheiders Angaben sind die Werke in Deutschland bis 2030 gut ausgelastet. Was danach komme, sei freilich offen. Angesichts des Wandels zu Elektro-Antrieben könne dann durchaus weniger Personal nötig sein, räumte er ein. In der Zentrale in Friedrichshafen wird dagegen fleißig eingestellt. Vor allem Ingenieure. Scheider: "Wir platzen aus allen Nähten."

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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