Wohnungspolitik:Die deutsche Wohnungspolitik schadet denen, die sie schützen soll

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Menschen ab 55 wird die Finanzierung von altersgerechten Umbauten erschwert - dabei bräuchten gerade sie die Darlehen dringend. (Foto: dpa)

Ältere Menschen erhalten immer schwerer Immobilienkredite. Und statt bezahlbarem Wohnraum gibt es nur neue, unnötige Richtlinien. Die Politik verfehlt ihre Ziele grandios.

Kommentar von Benedikt Müller

In der Politik wird viel gestritten, aber in der Wohnungspolitik sind sich viele Beteiligte einig über die gesellschaftlich wünschenswerten Ziele: Gerade in den Ballungsgebieten müssten mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden. In Anbetracht des demografischen Wandels sollten zudem möglichst viele bestehende Wohnungen altersgerecht umgebaut werden. Und um die Klimaziele der Bundesregierung nicht weiter zu gefährden, sollten Hausbesitzer wieder mehr Geld in sparsame Heizungen oder Fenster investieren.

Leider zeigen die Zahlen genau in die andere Richtung: Trotz niedrigster Zinsen ist die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr nur um ein Prozent gestiegen; Investitionen in die energetische Sanierung gehen sogar zurück. Die vielen Eingriffe der öffentlichen Hand scheinen den Wohnungsbau eher nach unten als nach oben zu ziehen.

Tatsächlich steht sich der Gesetzgeber bei einigen wohnungspolitischen Zielen selbst im Weg. Jüngstes Beispiel ist die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie: Seit drei Monaten gelten hierzulande strenge Regeln für die Vergabe von Hypotheken-Darlehen. Die Bundesregierung will Hausbesitzer vor Überschuldung retten. Deshalb müssen Banken genauer prüfen, ob es wahrscheinlich ist, dass ein Kreditnehmer seine Schulden im Laufe des Lebens aus seinem laufenden Einkommen begleichen wird. Wenn nein, darf ihm die Bank kein Darlehen geben. Dass die Immobilie zur Not verkauft werden könnte, um den Kreditnehmer zu entschulden, zählt als Sicherheit nicht mehr. Hier hat Deutschland entsprechende Vorgaben der Europäischen Union relativ streng umgesetzt.

Nun zeigt sich, dass die Neuregelung vor allem Menschen ab 55 Jahren schadet. Wie sowohl Ministerien als auch Banken bestätigen, verweigern Institute ihnen immer häufiger Hypotheken-Darlehen. Denn die Rückzahlung ist innerhalb der Rest-Lebenszeit nicht garantiert.

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:Ältere erhalten immer schwerer Immobilien-Kredite

Immer öfter verweigern Banken Menschen über 55 die Finanzierung - Grund ist ein außergewöhnlich scharfes EU-Reglement.

Von Cerstin Gammelin

Gerade Menschen ab 55 bräuchten die Darlehen so dringend

Damit hat der Staat seine eigenen Ziele torpediert: Er versperrt genau der falschen Generation den Zugang zu Finanzierungen. Denn es sind gerade Menschen ab 55 Jahren, die ein Eigenheim besitzen, das sie altersgerecht umbauen oder energetisch sanieren könnten.

Ganz wichtig ist der Bundesregierung auch, dass in den Ballungszentren mehr neue Wohnungen gebaut werden. Denn sie hatte den Zuzug aus dem Ausland und aus den ländlichen Gebieten in die Großstädte unterschätzt. Doch Neubau braucht Grundstücke - und genau dieses Bauland weisen die meisten Städte nur zögerlich aus. Und die wenigen verfügbaren Bauplätze sind deshalb dermaßen teuer, dass darauf schlichtweg keine günstigen Wohnungen entstehen können. Denn egal wie niedrig die Baukosten sind: Der teure Grunderwerb muss erst mal finanziert werden.

Der Bund könnte hier abhelfen, denn er ist immer noch einer der größten Besitzer von Grundstücken und Immobilien hierzulande. Doch die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat im vergangenen Jahr 96 Prozent ihrer verkauften Immobilien an private Investoren vergeben, statt häufiger städtischen Gesellschaften oder Genossenschaften den Vorzug zu geben. Das ging zuletzt aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linken hervor.

Der Staat schafft es nicht, Symptome der Wohnungsnot zu bekämpfen

Wenn es der Bund ernst meint mit der Förderung bezahlbarer Mietwohnungen, müsste er aufhören, seine eigenen Grundstücke stets zum höchsten Preis zu verkaufen. Erste Städte (etwa München oder Hamburg) machen es vor: Sie vergeben Bauland nur an Investoren, die einen Mindestanteil bezahlbarer Mietwohnungen beim Neubau garantieren. Das drückt die Bodenpreise zugleich ein bisschen.

Nun gibt es den berechtigten Einwand, wonach neue Wohnungen nicht zwangsläufig auf neuen Grundstücken entstehen müssen, sondern auch durch Anbau oder Aufstockung bestehender Häuser. Doch auch hier steht die öffentliche Hand ihren eigenen Neubau-Zielen im Weg: In den meisten Ländern regeln etwa Stellplatz-Verordnungen, wie viele zusätzliche Parkplätze nötig sind, wenn neue Wohnungen entstehen. Deshalb müssen viele Bauträger entweder teure Tiefgaragen bauen oder ihre Anbau-Pläne verwerfen. Und das, obwohl Stellplatz-Verordnungen zusehends an Bedeutung verlieren, je mehr Städter gar kein eigenes Auto mehr besitzen. Zum Glück lassen auch hier erste Städte diese Regelung fallen.

Insgesamt ist die Wohnungspolitik viel zu stark vom Ende her gedacht: Der Staat versucht, etwa mithilfe einer wirkungslosen Mietpreisbremse, Symptome der Wohnungsnot zu bekämpfen. Stattdessen müsste der Gesetzgeber deren Ursachen anpacken: mit mehr günstigem Bauland, schnelleren Genehmigungsverfahren und weniger unnötigen Richtlinien.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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