Wie hat der Bundesgerichtshof (BGH) geurteilt?
Internetnutzer, die ihr Wlan für die Allgemeinheit öffnen, können künftig nicht mehr auf Unterlassung verklagt werden, wenn jemand ihren Anschluss für illegale Uploads missbraucht. Der BGH bestätigte damit eine gesetzliche Neuregelung von 2017 zur Abschaffung der sogenannten Störerhaftung in den wesentlichen Punkten. Vor dem Hintergrund des neuen Telemediengesetzes (TMG) prüfte das Gericht einen Fall, in dem ein Computerspiel illegal im Netz verbreitet worden war. (Az.: I ZR 64/17).
Worum ging es vor dem BGH?
Ein Produzent und Vermarkter von Computerspielen hatte einen Mann verklagt, über dessen Internetanschluss 2013 in einer Tauschbörse das Spiel "Dead Island" zum Herunterladen angeboten wurde. Die Firma mahnte den Anschlussinhaber ab und forderte ihn zur Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zwei Jahre zuvor hatte sie ihn schon wegen anderer Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing über seinen Internetanschluss anwaltlich abgemahnt. Der IT-Fachmann, der fünf offene Wlan-Hotspots und zwei Übergangsknoten zum Tor-Netzwerk betreibt, wies die Verantwortung für illegale Uploads von sich. Über das dezentrale Tor-Netzwerk können Menschen anonym über Tor-Zugangsknoten auf fremden Rechnern im Internet surfen.
Welche Bedeutung hat der Fall?
Auf den ersten Blick ging es nur um einen Filesharing-Altfall. Die BGH-Richter haben nun aber über diesen Fall hinaus bestätigt, dass die Abschaffung der Störerhaftung aus dem seit Herbst 2017 erneuerten TMG mit Europarecht vereinbar sei. Die Begründung: Die geschädigten Firmen könnten den Wlan-Betreiber immer noch gerichtlich zur Sperrung bestimmter Inhalte verpflichten. Damit seien ihre Urheberrechte ausreichend geschützt.
Nach dem neuen Telemediengesetz lässt sich weder ein Unterlassungs- noch ein Schadenersatzanspruch ableiten. Werden Urheberrechte verletzt, sind aber eben Nutzungssperren möglich. Das Gericht bleibt allerdings vage, wie solche Sperren konkret aussehen sollen. In der Urteilsbegründung zum vorliegenden Fall heißt es nur: Die Sperrung von Filesharing-Software sei technisch möglich und dem Beklagten zumutbar.
Auch sei der Anspruch auf Sperrmaßnahmen nicht auf bestimmte Technik beschränkt. Es könne die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder - im äußersten Fall - zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen. In einer zurückhaltenden Variante können auch einzelne Filesharing-Dienste auf einem Router gesperrt werden.
Ob die Computerspiel-Firma den Beklagten aber in diesem Fall zwingen kann, bestimmte Inhalte zu sperren, wollte der BGH nicht entscheiden. Dazu verwies er den Fall zurück an das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.
Wie urteilten die Vorinstanzen?
Landgericht und OLG Düsseldorf hatten der Firma recht gegeben: Der Mann hafte als "Störer" - egal, ob die Rechtsverletzung über seinen offenen Wlan-Hotspot oder den Tor-Exit-Node ging. Er hätte seinen Internetanschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte schützen müssen. "Störer" war nach alter Rechtslage, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - "in irgendeiner Weise willentlich oder adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtes beiträgt". Gegen das OLG-Urteil hatte der Anschlussinhaber dann Revision beim BGH eingelegt.