Wirecard-Skandal:Regierung setzt weiter auf private Bilanzprüfer

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Im Bundesfinanzministerium gehen wieder mehr Steuereinnahmen ein. (Foto: CHROMORANGE / Spremberg/imago images)

Das Finanzministerium will die Aufgaben der Zahlenkontrolleure aber genauer regeln. Hinweisen auf kriminelle Machenschaften soll die staatliche Finanzaufsicht Bafin nachgehen.

Von Cerstin Gammelin und Nils Wischmeyer, Berlin

Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) kontrolliert Unternehmensbilanzen, wird gerne als "Bilanzpolizei" bezeichnet. Doch eine Art Polizei, die Kriminalität bekämpft und Straftaten aufklärt, ist die DPR nie gewesen. Das hat sich besonders im Fall Wirecard gezeigt. Die staatliche Finanzaufsicht Bafin gab wiederholt Hinweise auf Unregelmäßigkeiten an die DPR weiter. Die Prüfstelle aber, eine private Organisation mit schmalem Etat und wenigen Wirtschaftsprüfern, war gar nicht in der Lage, den mutmaßlichen Milliardenbetrug zu entdecken.

Jetzt will die Bundesregierung die einst von ihr selbst geschaffene Fehlkonstruktion beseitigen, indem die Finanzaufsicht neu gestaltet wird. Auf ein Ende der DPR läuft das allerdings nicht hinaus, obwohl die Regierung den Vertrag mit der privaten Bilanzprüfstelle gleich nach dem Zusammenbruch von Wirecard Ende Juni gekündigt hatte. Im Gegenteil: Die DPR soll erhalten bleiben. Das geht aus dem Entwurf des Finanzministeriums für ein Gesetz "zur Stärkung der Finanzmarktintegrität" hervor. Die Bafin soll gestärkt werden, mit zusätzlichen Aufgaben und Befugnissen, damit der Kontrollbehörde nicht noch einmal Machenschaften wie bei Wirecard verborgen bleiben. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will die Bafin damit auch gleichzeitig in die Pflicht nehmen.

Die Prüfung der Bilanzen verbleibt teilweise bei der DPR, deren Aufgaben und Aktionsradius aber genauer geregelt und eingeschränkt werden. So soll eine "anerkannte Prüfstelle" - wie es die DPR bisher war - zukünftig nur noch Stichprobenprüfungen in Unternehmen durchführen. Ergeben sich dabei "konkrete Anhaltspunkte" kann die Bafin eine eigene Prüfung anordnen und sich dabei künftig auch auf die Arbeit der DPR stützen. Das war bisher nicht der Fall. Auch soll die DPR einen möglichen Verdacht auf Straftaten nicht mehr nur an die Staatsanwaltschaft melden, sondern auch der Bafin und der Abschlussprüfer-Aufsichtsstelle beim Bundeswirtschaftsministerium.

Mehr Bafin, weniger DPR, auf diese Formel lässt sich das Gesetzesvorhaben bringen. DPR-Präsident Edgar Ernst kann sich grundsätzlich damit anfreunden. Insbesondere deshalb, da seine Prüfstelle gar nicht die Möglichkeit habe, Straftaten aufzudecken; und auch nicht die dafür notwendigen "hoheitlichen Befugnisse". Ernst würde es aber gerne sehen, wenn die DPR über Stichproben hinaus weiterhin von sich aus gezielt tätig werden könnte, sofern es Anlass dazu gäbe. Und wenn die Bafin keine Fälle an sich ziehen würde, bei denen es lediglich um Fehler oder Fehleinschätzungen in den Unternehmen gehe und nicht um mutmaßlichen Betrug.

Dass überhaupt weiterhin mit einer Prüfstelle gearbeitet wird, liegt laut Mitarbeitern des Finanzministeriums daran, dass sich das Konstrukt gerade bei kleineren Unternehmen bewährt habe. Das Gesetzesvorhaben macht aber deutlich, dass weiteren Bilanzskandalen vorgebeugt werden soll, indem schneller reagiert wird. Vor allem bei der Bafin. Ist aber ein Festhalten an der Struktur mit Bafin und DPR wirklich sinnvoll? Die Bilanzexpertin Carola Rinker, die den Wirecard-Skandal und auch das Verhalten der DPR genau verfolgte, sieht das kritisch: "Ein privatwirtschaftlicher Verein bringt keine Vorteile gegenüber einer staatlichen Stelle. Es wäre einfacher, eine Behörde mit einer Zuständigkeit zu haben."

Die 2005 gegründete und von der Bundesregierung per Vertrag mit Bilanzprüfungen beauftragte DPR hatte eigentlich dazu beitragen sollen, Bilanzskandale zu verhindern. Bei Wirecard war die Prüfstelle aber schlichtweg überfordert. "Heute sehen wir, dass ein privatwirtschaftlicher Verein ein überflüssiges Relikt neoliberaler Haltung ist. Er hat keinen Vorteil gegenüber einer hoheitlichen Stelle wie der Bafin, ist er doch ineffektiv, dazu langsam und vor allem nicht unabhängig", sagt Dietmar Hexel, der zehn Jahre für die DPR tätig war, bevor er 2015 ausschied.

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