Wirecard:Licht ins Dunkel

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Hat Wirecard Geschäfte aufgebläht und falsche Kunden angegeben? Diese Vorwürfe stehen seit mehr als einem Jahr im Raum. Eine Sonderprüfung soll endlich Klarheit in bringen. Das Ergebnis wird in Kürze erwartet.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Die Wirtschaftsprüfer von KPMG brauchen doch noch einmal länger als sowieso schon geplant, um die Geschäfte von Wirecard durchzuchecken. Das machte Wirecard am späten Mittwochabend per Ad-hoc-Mitteilung öffentlich. Damit verschiebt sich die Veröffentlichung des Sonderprüfungsberichts, den Wirecard im Oktober 2019 beauftragt hat, erneut. Klären soll dieser, ob Wirecard in seinen Bilanzen getrickst hat. Zwar heißt es, dass die Prüfer bisher keine Belege für eine Manipulation gefunden haben. Dass der Bericht sich aber nun ein zweites Mal verschiebt, gibt zu Bedenken. Bereits im März hatte KPMG um eine Verlängerung der Abgabefrist gebeten, um sich einen bestimmten Teilbereich von Wirecard genauer anzuschauen. Gereicht hat die Extrazeit offenbar nicht. Seit Oktober vergangenen Jahres durchleuchten Dutzende Prüfer von KPMG die Geschäfte des Konzern aus Aschheim, nahe München. Hintergrund sind Vorwürfe, die die britische Financial Times aufgeworfen hat. Dazu gehörensolche über Fehlbuchungen und aufgeblähte Geschäfte in Asien ebenso wie Deals mit dubiosen Partnern in Dubai oder eine ungewöhnliche Übernahme in Indien. Die Vorwürfe waren immer gleich: Wirecard arbeite unsauber und trickse in der Bilanz. Die Aktie stieg und fiel daraufhin immer wieder drastisch. Zwischenzeitlich musste sogar die deutsche Finanzaufsicht Bafin eingreifen und Wetten gegen das Unternehmen verbieten. Im Oktober sah sich Chef Markus Braun gezwungen, die externen Prüfer ins Haus zu holen. Konkret schauen sie auf Deals in Singapur, eine Übernahme in Indien, das Geschäft mit "Merchant Cash Advance", also Vorauszahlungen für Händler, und das Geschäft mit Drittpartnern in Märkten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Zuerst augenscheinlich geworden waren die Probleme Wirecards in Singapur. Die Financial Times hatte im Januar vergangenen Jahres über rückdatierte und gefälschte Verträge berichtet, die das Geschäft von Wirecard in Asien aufblähen sollten. Das rief Ermittler in Singapur auf den Plan, die Räume des Zahlungsdienstleisters dreimal durchsuchten und etwa 200 Kartons an Beweismaterial mitnahmen. Wirecard dementierte die Vorwürfe im Bericht erst, schaltete dann die renommierte Kanzlei Rajah & Tann ein, um die Vorfälle zu prüfen und musste im Frühjahr 2019 zugeben, dass es kleinere Fehler in der Buchhaltung gegeben hatte, die aber, so Braun, nicht relevant für die Bilanz gewesen seien.

Außerdem schauten sich die Prüfer von KPMG das Geschäft in Indien an, wo eine ungewöhnliche Übernahme bis heute ein Streitpunkt ist. Wirecard hatte dort eine Firma für 340 Millionen Euro gekauft, allerdings nicht von den Inhabern selbst, sondern über ein Finanzvehikel in Mauritius. Die Ex-Eigentümer klagen nun, sie hätten nur einen Bruchteil dieser Summe erhalten. Der Vorwurf: Wirecard soll absichtlich zu viel Geld für diese Firma bezahlt haben. Dieses Geld soll dann über Partnerfirmen zurück zu Wirecard geflossen sein. Der Konzern aus Aschheim bestreitet das.

Im März hatte KPMG in einem Zwischenbericht bereits festgestellt, dass die Untersuchungen keine signifikanten Fehler in Indien, Singapur und im Bereich Merchant Cash Advance zeigten. Es gebe keinen Einfluss auf die Bilanzen. Mehr Zeit bräuchte man, um die Drittpartner zu checken. Die kommen ins Spiel, wenn Wirecard in einer Region keine Lizenzen hat.

Die Financial Times warf Wirecard vor, dass ein Großteil des Konzern-Gewinns von einer Firma namens Al Alam mit Sitz in Dubai käme. Das ist nicht verwerflich. Einige Kunden aber gaben an, den Namen Al Alam noch nie gehört zu haben.

Hat der Wirecard-Partner also diese Kundenbeziehungen erfunden und so die Umsätze künstlich aufgebläht? Das immerhin war der Vorwurf, das Unternehmen dementiert sofort. Der KPMG-Bericht sollte auch hier endlich Klarheit schaffen. Nun hat Wirecard seine Veröffentlichung verschoben. Es heißt warten.

© SZ vom 23.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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