Wirecard:Es will einfach nicht enden

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Kreditkarte von Wirecard: Vor einem halben Jahr erklärte das Unternehmen die Ungereimtheiten in Singapur für beendet. Jetzt kommen neue dazu. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wirecard-Vorstandschef Markus Braun beteuert seit Monaten, dass die Krise des Konzerns in Singapur ausgestanden sei. Nun aber verweigern die Rechnungsprüfer vor Ort das Testat.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Vor einem halben Jahr noch war Markus Braun, der Vorstandschef von Wirecard, sehr zuversichtlich: "Wir denken wirklich, dass heute ein Wendepunkt ist", sagte er in einem Fernsehinterview Ende April. In den Wochen zuvor war der Zahlungsvermittler aus Aschheim unter Druck geraten: die Financial Times (FT) hatte dem Unternehmen in mehreren Berichten vorgeworfen, Bilanzen in Singapur frisiert und Scheinumsätze verbucht zu haben. Der Aktienkurs war zeitweise um mehr als 30 Prozent abgesackt. Doch dann erklärte Wirecard-Obmann Braun die Singapur-Krise für beendet.

Nun, gut sechs Monate später, muss sich Braun wieder mit Singapur befassen, es ist ein einziger Satz, der dem Unternehmen zu schaffen macht. Er ist lang und erklärungsbedürftig, aber wichtig: "Wir können weder die Angemessenheit, Vollständigkeit und Richtigkeit des Jahresabschlusses feststellen, noch können wir den Umfang möglicher Anpassungen abschätzen, die in Bezug auf den Jahresabschluss der Gesellschaft erforderlich sein könnten." Verfasst haben ihn die Rechungsprüfer von EY (früher Ernst & Young), die die Bilanzen von Wirecard testieren. In Singapur weigerte sich EY Mitte Oktober erstmalig, für die Richtigkeit des Jahresabschlusses 2017 der Tochtergesellschaft in Singapur zu bürgen. Der Internetblog Mca-Mathematik.com, der sich kritisch mit Wirecard auseinandersetzt, machte das als Erster öffentlich.

Für das Unternehmen ist es ein erheblicher Rückschlag. Zwar setzt Wirecard in Singapur mit rund 40 Millionen Euro vergleichsweise wenig um, für die Geschäfte in Asien ist die Gesellschaft im Stadtstaat jedoch enorm wichtig. Sie ist Dreh- und Angelpunkt in der Region. Von hier aus möchte das Unternehmen expandieren und vom asiatischen Boom für bargeldloses Bezahlen profitieren.

Nach den FT-Berichten Anfang des Jahres musste das Unternehmen zunächst einmal einräumen, dass zwar Fehler in Singapur gemacht worden seien. Der Schaden sei jedoch gering gewesen, im einstelligen Millionenbereich und daher irrelevant, gab das Unternehmen an. Nun aber fehlt das Testat.

Der Grund, teilt Wirecard dazu schriftlich mit, seien vor allem "Restriktionen". Die Ermittlungen der Behörden in Singapur hätten dazu geführt, dass das Testat verweigert wurde. Man habe den Rechnungsprüfern Dokumente nicht vorlegen können, weil sie beschlagnahmt worden seien.

Das Commercial Affairs Department, eine Sondereinheit der Polizei, hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe in mehreren Razzien mehr als 200 Kartons mit Dokumenten aus den Büros von Wirecard mitgenommen. Das Unternehmen legte damals in Singapur Widerspruch ein, den ein Gericht jedoch abwies.

Wirecard betont: "Der örtliche Jahresabschluss wurde jedoch in diesem Rahmen ordnungsgemäß geprüft." Tenor: Es fehlen also ein paar Dokumente, aber dafür könne man nun einmal nichts.

Auf den Jahresabschluss der gesamten Wirecard-Gruppe habe das ausgebliebene Testat in Singapur keine Auswirkung, sagt eine Unternehmenssprecherin. Für die Jahre 2017 und 2018 hatte EY dem Konzern bescheinigt, dass der Jahresabschluss korrekt sei.

Ob das auch für Singapur gilt, ist jedoch offen: Die EY-Prüfer in Singapur weisen im Jahresabschluss der Singapur-Tochter darauf hin, dass die Ermittlungen der Polizei noch nicht abgeschlossen seien. Es sei daher nicht auszuschließen, dass womöglich neue Informationen zu Missständen im Südostasien-Geschäft auf den Tisch kämen und Nachbesserungen für das Abschlussjahr 2017 oder vorherige Jahre nötig seien.

Die Rechnungsprüfer selbst möchten sich auf Nachfrage dazu nicht äußern. Man könne und dürfe Kundenbeziehungen und deren Vorgänge nicht kommentieren.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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