Wirecard:Das Leben geht weiter in Aschheim

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War da was? Anfang des Jahres war der Zahlungsdienstleister Wirecard das schwarze Schaf im Deutschen Aktienindex. Nun legt er Halbjahreszahlen vor, die zeigen: Das Geschäft boomt.

Von Harald Freiberger, München

Wirecard, Wirecard... da war doch was? Anfang des Jahres stand der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München fast täglich in den Schlagzeilen. Vorwürfe der Financial Times, das Unternehmen habe in Asien Geschäftszahlen manipuliert, führten beim Aktienkurs zu Abstürzen, wie es sie bei einem Dax-Konzern noch nie gegeben hatte. Im April konnte Wirecard die Vorwürfe nach Meinung der Investoren weitgehend entkräften, danach ist es ruhiger um das Unternehmen geworden. Der Aktienkurs ist seitdem wieder um ein Fünftel gestiegen, während der Dax sechs Prozent verlor.

Der Leben geht also weiter in Aschheim, und das zeigen auch die Halbjahreszahlen, die der Konzern am Mittwoch vorlegte. Ob Transaktionsvolumen, Umsatz oder Gewinn - alle maßgeblichen Kennziffern legten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut ein Drittel zu. "Im ersten Halbjahr hat sich unser Wachstum beschleunigt, sodass wir äußerst optimistisch in das zweite Halbjahr blicken", sagte Firmenchef Markus Braun, der nun nicht mehr unangenehme Vorwürfe abwehren muss, sondern wieder das machen kann, was er am liebsten tut: über die prächtigen Geschäftsaussichten reden.

Die Branche der Zahlungsdienstleister boomt wegen des bargeldlosen Einkaufs

Die Branche der Zahlungsdienstleister boomt wegen des sich immer weiter verstärkenden Trends zum bargeldlosen Einkauf im Internet oder im Laden. Wirecard ist auf der ganzen Welt Partnerschaften mit Handelskonzernen eingegangen. Erst vor kurzem kündigte das Unternehmen eine Kooperation mit der deutschen Lebensmittelkette Aldi an. Immer wenn ein Kunde bei Aldi online oder im Laden per Karte etwas bezahlt, sorgt Wirecard dafür, dass das Geld vom Konto des Kunden auf das Konto des Discounters kommt. Dafür kassiert Wirecard eine kleine Gebühr, aber bei der hohen Zahl der Transaktionen führen die kleinen Beträge jeden Monat zu Umsätzen von Hunderten Millionen Euro. In den ersten sechs Monaten 2019 lag der Umsatz bei gut 1,2 Milliarden Euro, ein Anstieg um mehr als ein Drittel.

Firmenchef Braun hob wegen des guten ersten Halbjahres das Gewinnziel für 2019 noch einmal an. Er erwartet jetzt einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 765 Millionen bis 815 Millionen Euro. Das entspricht einer Erhöhung des Korridors um fünf Millionen Euro. Im kommenden Jahr solle der Umsatz bei einem erwarteten Transaktionsvolumen von mehr als 230 Milliarden Euro dann auf gut 3,2 Milliarden Euro anziehen. Bislang hatte der Konzern drei Milliarden in Aussicht gestellt.

Und was machte der Aktienkurs am Mittwoch bei all den schönen Zahlen? Er fiel. Mit einem Minus von 1,5 Prozent war Wirecard sogar das Schlusslicht im Dax. Analysten führen das darauf zurück, dass sich die Investoren nach den guten Nachrichten der jüngsten Zeit bereits auf einen Gewinnanstieg eingestellt haben. "Wirecard ist nicht zu bremsen und präsentierte zum ersten Halbjahr abermals ein exzellentes Wachstum, das zur Gewohnheit wird und bei einigen Marktteilnehmern die Erwartungen ins Unermessliche treibt", sagte NordLB-Analyst Wolfgang Donie.

Zu den hohen Erwartungen trägt auch bei, dass der Aschheimer Konzern nach den schlechten Erfahrungen mit der Öffentlichkeit Anfang des Jahres seine Kommunikationsstrategie geändert: Fast täglich gibt er jetzt pünktlich um acht Uhr eine neue Pressemitteilung heraus, mal geht es um eine neue Partnerschaft mit einer marokkanischen Fluggesellschaft, mal mit dem größten Baumarkt in Brasilien, mal mit dem Online-Reiseportal lastminute.com. Ein Motto wie bei den Pfadfindern: täglich eine gute Tat. Das ist besser als die Meldungen zum Jahresanfang, als der Aktienkurs fast täglich in zweistelliger Prozenthöhe einbrach.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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