Wiener Bank in Madoff-Skandal verstrickt:Drama in der Operngasse

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Mit ihrem simplen Geschäftsmodell ist die Wiener Bank Medici dem Milliardenbetrüger Madoff aufgesessen. Nun drohen Bankgründerin Sonja Kohn Repressalien - nicht nur juristischer Art.

Paul Katzenberger

Wien ist zwar nur eine Nebenbühne in der Finanzwelt, doch der Skandal um den amerikanischen Milliardenbetrüger Bernard Madoff macht die Opernstadt zu einem Schauplatz dunkler Geschäfte an der Wall Street: An der Donau eingesammelte Milliardenbeträge haben sich in New York in Luft aufgelöst .

Wenn Tradition nur suggeriert wird: Firmenschild der Bank Medici im 1. Bezirk in Wien. (Foto: Foto: AP)

Die Connection zwischen alpenländischer Provinz und der großen weiten Welt des Geldes stellte dabei eine Ausnahmeerscheinung her, die nicht nur wegen ihrer bauschigen roten Perücke auffiel: Sonja Kohn galt bislang als die Grande Dame der Wiener Bankenkreise, die es auf Grund ihrer weitreichenden Kontakte in aller Welt zu ihrem eigenen kleinen, aber feinen Bankhaus gebracht hatte.

Doch der Ruf der von Kohn gegründeten Bank Medici ist jetzt ruiniert: Als im Dezember der Finanzjongleur Madoff mit seinem milliardenschweren Schneeballsystem aufflog, erwies sich das Geldhaus in der Wiener Operngasse als eines der Hauptopfer.

Ein "Kommissär" übernimmt

Noch ist strittig, welchen Betrag genau die Medici-Fonds durch die Anlage in Madoff-Produkten vernichtet haben, doch der Schaden geht auf jeden Fall in die Milliarden. Während das Institut selbst von einem Fehlbetrag in Höhe von 2,1 Milliarden Dolllar (1,6 Milliarden Euro) spricht, beziffert die Finanznachrichtenagentur Bloomberg den Ausfall auf 3,2 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro).

Angesichts dieser enormen Risiken geht bei dem kleinen Geldhaus inzwischen nichts mehr ohne Aufpasser: Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) entsandte mit Gerhard Altenberger einen Wachposten zum Schutz der Gläubigergelder. Sowohl die frisch bestellten Vorstände John Holliwell und Werner Tripolt als auch die Bankgründerin - und immer noch amtierende Aufsichtsratschefin - Sonja Kohn müssen ihre Entscheidungen mittlerweile mit dem "Regierungskommissär" abstimmen.

Dabei schien bislang alles prächtig zu laufen: In bester Lage - schräg gegenüber von Wiens monumentaler Staatsoper - residiert die Bank Medici, die mit dem Namen des Florentiner Familiengeschlechts und eigenem Wappen Tradition suggerieren will.

Doch die kleine Bank stammt nicht aus dem Florenz des Mittelalters, es gibt sie vielmehr gerade knapp sechs Jahre - das Gründungsjahr des Geldhauses datiert von 2003 in Wien. Das Vorläuferunternehmen Medici Finanzservice GmbH bestand seit 1994.

Damals kehrte die inzwischen 60-jährige Kohn aus New York zurück, wo sie sich in den achtziger Jahren als eine der wenigen weiblichen Fondsmanager an der Wall Street etabliert hatte. Gelungen war das der mit einem Banker verheirateten Kohn durch ihr weitreichendes Beziehungsnetz. Dieses hatte die Tochter einer vor den Nazis aus Osteuropa nach Wien geflüchteten jüdischen Familie bereits in den siebziger Jahren zunächst in Mailand und später in der Schweiz geknüpft.

Ihren wichtigsten Kontakt machte sie aber erst in den USA, in der 15.000-Seelen-Gemeinde Monsey, einem jüdisch-orthodoxen Vorort New Yorks, eine Autostunde nördlich von Manhattan. Dorthin hatte sich die polyglotte Österreicherin zurückgezogen, als sie sich dem orthodoxen Judentum zuwandte. Dort traf sie Mitte der achtziger Jahre auch auf Bernard Madoff, der sich als Fondsmanager bereits einen Namen gemacht hatte.

Die Chemie zwischen Kohn und Madoff, dem Mitgründer der Börse Nasdaq, stimmte offenbar sofort: Beide waren in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, beide waren dem jüdischen Glauben verbunden und jeder von ihnen war ein Finanzmarktprofi.

Eine Person von Gewicht

Nach der Rückkehr Kohns nach Wien blieben die beiden in Kontakt, doch der Name des amerikanischen Fondsmanagers tauchte im Zusammenhang mit der resoluten Geschäftsfrau zunächst nicht auf, vielmehr nutzte sie ihr Beziehungsgeflecht, um im engen Österreich als Person von Gewicht zu erscheinen: Von 1996 bis 2000 beriet sie den damaligen Wirtschaftsminister Johannes Farnleitner von der konservativen Volkspartei, bei der Wiener Börse vermittelte sie Projekte in Shanghai und dem US-Finanzinvestor Cerberus öffnete sie in Wien Türen, als der sich für einen Einstieg bei der österreichischen Gewerkschaftsbank Bawag interessierte.

Kohn agierte dabei so beeindruckend, dass sich sogar die große Bank Austria für ihr Institut zu interessieren begann: Die heutige Unicredit-Tochter stieg unter ihrem damaligen Vorstandschef Gerhard Randa mit 25 Prozent bei der Bank Medici ein.

Schließlich liefen die Geschäfte des toskanisch anmutenden Instituts jahrelang mehr als passabel. Mit ihren 16 Angestellten war die Bank Medici zwar kein Titan der Bankenwelt, doch das Geschäftsmodell schien lukrativ zu sein. Denn jahrelang gewann Kohn bei ihren zahlreichen Reisen nach Mailand, Zürich, London, Israel und New York institutionelle Investoren als Geschäftspartner, die das Kapital ihrer Kunden bei ihr gut angelegt sahen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie simpel das Geschäftsmodell der Bank Medici funktionierte.

In ihrem letzten offiziellen Geschäftsbericht für 2007 wies die Bank Medici demnach Provisionen in Höhe von 9,7 Millionen Euro und einen Nettogewinn von 472.300 Euro aus. Die Bilanzsumme belief sich auf 28 Millionen Euro.

Heute fragen sich Beobachter allerdings, ob das Kohn'sche Geschäftsmodell nicht allzu einfach gestrickt war. So erzielte die Medici Bank aus der Vermittlung von Investoren für ihren "Thema Fund" zwar 4,6 Millionen Euro an Einnahmen, der ebenfalls von Medici aufgelegte "Herald Fund" berechnete seinen Kunden 2,9 Millionen Euro und der gemeinsam mit der Bank-Austria-Fondstochter Pioneer vertriebene "Primeo Fund" 835.000 Euro. Die Dienstleistung bestand in allen Fällen allerdings wohl fast ausschließlich darin, die eingesammelten Gelder an Madoff weiterzuleiten.

Ihren Kunden gegenüber stellte Kohn den guten Kontakt zu dem amerikanischen Spekulanten bisweilen als Alleinstellungsmerkmal dar. "Sie sagte, dass sie ein sehr guter Freund von Bernie sei und sehr gute Verbindungen habe", erzählte ein Genfer Top-Banker der New York Times. Kohn habe dabei betont, dass es schwer sei an Madoff heranzukommen, aber dass sie Zugang zu dem Finanzguru verschaffen könne.

"Grund sich zu fürchten"

Häufig schien Kohn ihre Auftraggeber aber auch nicht allzu detailliert darüber aufzuklären, wo ihr Geld landete. Denn viele Medici-Kunden beklagen inzwischen, nie gewusst zu haben, dass die Gelder zu Madoff flossen.

Aus Verlegenheit darüber sei Kohn inzwischen möglicherweise untergetaucht, spekulierte die New York Times, da Kohn seit dem Kollaps ihres Instituts nicht mehr für die Presse zu sprechen ist. Denn "mit russischen Oligarchen als Kunden", so das amerikanische Blatt unter Berufung auf ungenannte Bankkollegen Kohns aus Wien, London, Genf und New York weiter, "habe sie möglicherweise Grund, sich zu fürchten".

Der Abtauch-Theorie trat die Bank Medici allerdings unverzüglich entgegen: "Die Bank Medici möchte in einer Antwort auf den heutigen New-York-Times-Artikel klarstellen, dass weder Russen noch Ukrainer bei der Bank Medici Funds gekauft haben", hieß es in der Pressemitteilung.

Tatsächlich sei kein einziger Russe oder Ukrainer unter den Kunden der Bank, sagte eine Sprecherin des Instituts zu sueddeutsche.de: "Die Bank Medici hat ihre Produkte ausschließlich an institutionelle Kunden vor allem aus Westeuropa vertrieben." Frau Kohn arbeite überdies jeden Tag, sei entweder in der Bank oder international unterwegs. "Es gibt keine Security."

In Wiener Finanzkreisen wird diese Darstellung für glaubwürdig gehalten: "Die Bank Medici verwaltete ihre Depots ja nicht selbst, zumindest der Löwenanteil der Fondsverkäufe wird daher über andere Banken gelaufen sein", sagte ein Wiener Banker zu sueddeutsche.de.

Über diese Institute seien Medici-Produkte wohl zwar durchaus auch an Russen vertrieben worden, doch in großem Stil sei das wahrscheinlich nicht passiert: "Mit einer langfristigen Rendite von durchschnittlich sechs bis sieben Prozent waren die Medici-Fonds für reiche Russen nicht lukrativ genug. Die haben bis Ende vergangenen Jahres eher in Russland selbst investiert, wo etwa bei Grundstücksgeschäften bis vor kurzem noch Renditen von 20, 30 und mehr Prozent drin waren", so der Anlageexperte weiter.

Mehr als durch repressive Russen könnte sich Kohn im Augenblick daher durch klagewillige Anlageopfer bedroht sehen - gerichtslastig ist die Angelegenheit immerhin schon in mehreren Fällen: Zuletzt zog die Repex Ventures SA, eine auf den British Virgin Islands angesiedelte Firma, in den USA vor Gericht. Sie wirft Medici vor, die Anleger in die Irre geleitet zu haben: "Ohne Wissen der Investoren wurden 100 Prozent der Herald Fonds zu Madoff transferiert", zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg aus der Klageschrift, die am Bundesgericht Manhattan zu Wochenbeginn einging.

Die österreichische Presseagentur APA meldete außerdem, dass eine Sammelklage mehrer geschädigter Anleger in New York in Vorbereitung sei.

"Einer, der die Schwerkraft zu besiegen schien"

Ob sich Sonja Kohn in dieser verfahrenen Lage noch lange auf dem Posten der Aufsichtsratschefin halten kann, bezweifelten etliche Beobachter in Wien zuletzt. Denn allzu effektiv scheinen die Kontrolleure auch in der Vergangenheit nicht gearbeitet zu haben.

So will Ex-Wirtschaftsminister Johannes Farnleitner, der dem Gremium ebenso wie der frühere Finanzminister Ferdinand Lacina angehört, nie von den Madoff-Verbindungen gewusst haben. "Das heißt, ein sogenannter Kontrolleur hat das einzige Produkt der Bank nicht gekannt und sagt das jetzt auch noch laut", donnerte ein Wiener Vermögensverwalter.

Ex-Bankchef Helmuth Frey kann sich ebenfalls kaum vorstellen, dass die Aussagen Farnleitners zutreffen. Der Name Madoff sei im Unternehmen präsent gewesen: Die unmittelbaren Kontakte zu dem Betrüger habe sich Kohn zwar vorbehalten, es habe aber Ansprechpartner für Medici-Mitarbeiter bei Madoff-Gesellschaften gegeben, sagte Frey der Wiener Zeitung Der Standard: "Keiner hätte Herald, Primeo, Alpha Prime Fonds gekauft, hätte nicht Madoff sie gemanagt. Er galt als Genie vom Dienst, als einer, der die Schwerkraft zu besiegen schien."

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