Facebook:Verkuppeln und herrschen

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Lebte einst von Lebensmittelmarken: Der Multimilliardär Jan Koum, der von Facebook jetzt genug hat. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Kaum hat auch der zweite Whatsapp-Gründer Jan Koum den Social-Media-Konzern verlassen, kündigt Mark Zuckerberg eine Flirt-App an.

Von Beate Wild, Houston

Es geht turbulent zu bei Facebook. Jan Koum, Mitgründer des Chatdienstes Whatsapp, verabschiedete sich lapidar: "Es ist Zeit für mich, etwas Neues zu machen", schrieb er in einem Beitrag auf Facebook. Er wolle nun mehr Zeit damit verbringen, "seltene luftgekühlte Porsche-Autos zu sammeln" und Frisbee zu spielen. Nach fast vier Jahren bei Facebook zieht sich der Multimilliardär damit aus dem Management des Internetunternehmens zurück, das den Dienst 2014 für 19 Milliarden Dollar gekauft hatte. Hinter dem Rückzug dürfte ein Streit über die Sicherheit der Daten von 1,5 Milliarden Whatsapp-Nutzern stehen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg reagierte auf Koums Abgang ebenso beiläufig, wie der sich verabschiedet hatte: "Ich bin dankbar für alles, was du getan hast, um die Welt zu vernetzen, und was du mir beigebracht hast", teilte er mit. Etwas wortreicher wurde er dann kurz vor der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8 in San José. Da kündigte er eine neue Löschfunktion für einige Nutzerdaten an und reagierte damit auf die Enthüllungen rund um die britische Analysefirma Cambridge Analytica. Die hatte mit Verbindungen zu Donald Trumps Wahlkampfteam Zugang zu den Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern erhalten. Zuckerberg versprach nun, es den Nutzern bald ermöglichen zu wollen, einige gesammelte Informationen über sie wie die Liste besuchter Websites oder angeklickter Links zu löschen. Außerdem könnten die Nutzer künftig auch verhindern, dass Daten über ihre Interaktionen mit anderen Websites und Apps überhaupt gespeichert werden.

Die Ankündigung ging aber fast unter, weil Zuckerberg weitere Pläne offenlegte. Facebook will auch bei den Flirt-Apps mitmischen und stellt seinen Nutzern bald eine eigenen Funktion zur Partnersuche zur Verfügung. Natürlich geht das nur dank der Analyse der Daten. Deshalb beeilte sich Zuckerberg darauf hinzuweisen, dass der Datenschutz besonders beachtet worden sei. Für die Partnersuche werde es ein getrenntes Profil gegeben. Der Konzern wolle mit dem zusätzlichen Dienst darauf aufbauen, dass sich viele Paare bei dem Online-Netzwerk kennengelernt hätten. Die Aktie der Match Group, der Mutterfirma der Flirt-App Tinder, verlor nach der Ankündigung binnen weniger Minuten ein Fünftel ihres Werts - obwohl die Facebook-Funktion erst in einigen Monaten fertig sein soll.

Facebook ist mit seinem riesigen Datenvolumen zu einer veritablen Macht herangewachsen. Auch hinter Koums Abgang dürften Meinungsverschiedenheiten über den Datenschutz und das Geschäftsmodell von Whatsapp gesteckt haben. Darauf deutet ein Bericht der Washington Post hin. Darin heißt es, Facebooks Versuch, die persönlichen Daten der Whatsapp-Nutzer zu verwerten und seine Verschlüsselung zu schwächen, hätten zu Streit zwischen Koum und dem Facebook-Management geführt. Koum, der in ärmlichen Verhältnissen in der Ukraine aufgewachsen und in die USA vorübergehend auf Lebensmittelmarken angewiesen war, plädierte stets für klare Grenzen im Umgang mit Nutzerdaten. "Wir interessieren uns nicht für Informationen über unsere Nutzer", sagte er noch im Januar 2014, kurz vor der Übernahme durch Facebook. In den vergangenen Wochen war der 42-Jährige dann nur noch unregelmäßig auf dem Facebook-Campus aufgetaucht. Auch der andere Gründer von Whatsapp, Brian Acton, hatte Facebook bereits verlassen.

Wie ernst er und Koum den Datenschutz nahmen, zeigten sie, als sie 2016 eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Whatsapp einführten. Das bedeutet, dass wirklich nur Sender und Empfänger die Nachrichten lesen können. In anderen Fragen musste sich Whatsapp dem Mutterkonzern beugen: So sollten die Nutzerdaten von Whatsapp und Facebook getrennt bleiben. Im August 2016 kündigte Whatsapp jedoch an, die Telefonnummern von Whatsapp-Nutzern mit den jeweiligen Facebook-Nutzerprofilen zu verknüpfen. Die Europäische Union belegte Facebook daraufhin mit einer Strafe in Höhe von 110 Millionen Euro.

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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