Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft:Weltmeister? Na ja, fast

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Nur noch Platz fünf, das ist nicht mal Halbfinale: Deutschland rutscht in der globalen Wettbewerbsliga etwas ab. Doch schaut man genauer hin, zeigt sich ein anderes Bild.

Von Ulrich Schäfer

Klar, damals, in der 113. Minute, war die Sache ein für allemal beantwortet: Ball mit der Brust angenommen, mit der linken Fußspitze rein ins Tor - Weltmeister! Deutschland war ganz obenauf. Sportlich. Mental. Leistungsmäßig. Auch die Kanzlerin hatte allen Grund, ihre Arme in die Höhe zu recken. Und dann noch eine Flasche Bier (oder waren es zwei?) mit Jogi und seinen Jungs in der Kabine.

Aber nun, ein paar Wochen später? Sind wir bloß Fünfter. Haben es - wenn man es so will - nicht einmal ins Halbfinale geschafft. Kein Triumph also, sondern allenfalls ein Achtungserfolg. Kein 7:1 gegen die Brasilianer, sondern eher ein 0:2 gegen die Amerikaner. Ausgerechnet die Amerikaner: Sie sind an uns vorbeigezogen, nicht bloß einen Platz, sondern zwei Plätze; sie sind aufgestiegen von Rang fünf auf Rang drei im jährlichen Ranking der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt; vorbei an Deutschland, vorbei auch an Finnland.

Wirklich so schlecht?

Warum? Weil sie ein klein wenig innovativer sind. Weil sie die etwas besseren Rahmenbedingungen haben, die etwas besseren Universitäten. Sagen die Forscher des Weltwirtschaftsforums aus Davos. Man könnte auch sagen: Weil die Amerikaner in der Wirtschaft das haben, was für Jogis Jungs das Campo Bahia war: einen besonderen Ort, an dem ein besonderer Geist entsteht; an dem sich das Beste mit dem Allerbesten vermischt und ein noch besseres großes Ganzes entsteht. Dieser besondere Ort heißt in den USA Silicon Valley, und der besondere Geist, der dort herrscht, hat sich in fast alle Ecken des Landes ausgebreitet: nach Seattle oder Boston, nach Austin oder in die Silicon Alley von New York. Nur die Schweiz, der Weltmeister der Wettbewerbsfähigkeit seit sechs Jahren, und Singapur, der langjährige Zweite, sind noch besser als die USA. Siegerteams eben.

Und Deutschland? Wirklich so schlecht? Es kommt, wie fast immer im Leben, darauf an, was man erwartet. Den Weltmeistertitel und nichts anderes - so wie Brasilien? Klar, dann können wir nicht glücklich sein. Andererseits: Fünfter unter 144 Ländern - ist doch gar nicht so schlecht. Vor allem dann, wenn man genauer hinschaut und sich die Stärken der deutschen Elf, pardon: der deutschen Wirtschaft, mal im Detail anschaut und die zwölf Ober- und 120 Unterkriterien des World Competitiveness Report so genau durchleuchtet wie die Spielstatistik nach dem WM-Finale.

Zum Beispiel die Innovationskraft. Auf diesem Feld gilt Deutschland ja gemeinhin als nicht sehr gut, eher als Meister der Defensive als der Offensive. Aber in Wahrheit sind die deutschen Unternehmen (Platz sechs) fast genauso gut wie die amerikanischen (Platz fünf). Sie werden - Apple hin, Google her - zugleich besser geführt (Platz drei) als in den USA (Platz vier). Ja, selbst beim Ausbau des Internets, bei der Anzahl der Breitbandanschlüsse, liegt Deutschland im globalen Ranking auf Rang neun. Und nicht, wie hierzulande gern behauptet wird, irgendwo im digitalen Nirwana.

Hohe Schulden

Wo aber liegen dann die Schwächen der deutschen Wirtschaft? Die Staatsschulden sind zu hoch (Platz 118 von 144), die Steuern auf Firmengewinne auch (Platz 110). Es dauert zudem viel zu lange, eine Firma zu gründen (Platz 106). Und: Die Löhne sind zu starr (Platz 136). Aber insgesamt ist der Arbeitsmarkt in den letzten zwei Jahren flexibler geworden, Deutschland hat sich da von Rang 53 auf 35 verbessert - das ist noch nicht weltmeisterlich, aber passabel.

Und, ach ja: Wäre es bei der Fußball-WM nicht bloß um Tore und Flexibilität auf dem Platz gegangen, sondern auch um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, hätten die Deutschen allemal gewonnen. Da nämlich liegen sie klar vor den anderen Halbfinalisten, vor den Niederlanden (Platz acht), Brasilien (Platz 57) und Argentinien (Platz 104).

© SZ vom 03.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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