WestLB-Vorstand:"Zweifel an der fachlichen Eignung"

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Ein Gutachten der Bankenaufsichtsbehörde gab den Ausschlag für den Rücktritt des WestLB-Chefs Jürgen Sengera.

Karl-Heinz Büschemann, Hans Leyendecker, Stefan Weber

(SZ vom 24.6.2003) — Die Krise, die zuvor schon die Dresdner Bank, die Hypo-Vereinsbank oder die Commerzbank erwischt hatte, die den Geldhäusern Milliarden-Verluste brachte und etliche Top-Manager um ihre Jobs brachte, ist in Düsseldorf angekommen.

Hektisch tagten dort am Montag die Gesellschafter der WestLB. Sie beschlossen den Rausschmiss von Bank-Chef Jürgen Sengera, der erst zwei Jahre im Amt war. Vorstandsmitglied Andreas Seibert muss ebenfalls gehen. Dasselbe gilt für Robin Saunders, die als vermeintliche Star-Bankerin für den Bereich Spezialfinanzierungen der WestLB in London zuständig war.

Wie tief die fünftgrößte deutsche Bank in der Krise steckt, zeigt eine Äußerung des Bonner Bundesamts für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Das Kontrollamt hat "Zweifel an der fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit der zuständigen Vorstandsmitglieder". Die Kontrollbehörde kam zu diesem katastrophalen Urteil, nachdem sie sich einen WestLB-Kredit an den Londoner TV-Geräte-Verleaser "Boxclever" angeschaut hatte.

Den hatte Robin Saunders eingefädelt. Das Geschäft der vermeintlichen Superfrau brachte dem provinziellen Geldhaus mit den internationalen Ambitionen einen Verlust von 430 Millionen Euro. Im Februar musste die WestLB für 2002 einen Verlust von 1,7 Milliarden Euro bekannt geben.

Die WestLB, die über ihre Muttergesellschaft Landesbank NRW zu 43,2 Prozent dem Land, den rheinischen und westfälischen Sparkassen zu je 16,7 Prozent und zwei Landschaftsverbänden zu 11,7 Prozent gehört, tut sich mit ihrer neuen Rolle noch schwer.

WestLB einst ernsthafte Konkurrenz

Einst war sie ein Institut, mit dem das Land Politik machte. Ging eine Firma pleite, so sprang die West LB ein. Brauchte Nordrhein-Westfalen neue Wohnungen — die WestLB übernahm die Finanzierung. Und wenn ein abgehalfterter Politiker einen Posten suchte, fand sich bei dem Kreditinstitut oft ein Schreibtisch. Doch die Bank war ein Faktor im Finanzwesen geworden. Selbst Manager der Deutschen Bank hatten sie als Konkurrenz ernst genommen.

Der Aufstieg der Bank begann 1981 damit, dass der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, seinen SPD-Parteifreund Friedel Neuber zum WestLB-Chef machen wollte. Neuber, der bei der Firma Krupp eine Lehre gemacht hatte, dann Landtagsabgeordneter und später Chef des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes geworden war, hatte aber keinerlei Bankenerfahrung.

Schnell wurde ihm vorgehalten, er habe aus dem Institut eine "rote Bank" gemacht, die von der SPD dominiert werde. Der Vorwurf ging ins Leere. Beim Geld kannte Neuber keine Parteien. Wenn der konservative Medienunternehmer Leo Kirch frisches Geld brauchte, war für den Münchner die Bank im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen eine erste Adresse.

Kurz bevor Neuber 2001 den Chefsessel verließ, wurde er in der so genannten Flugaffäre zur Symbolgestalt für roten Filz. Dabei hatte er über die Jahrzehnte ein System entwickelt, in das auch Christdemokraten und Liberale eingebaut waren. Das System Neuber funktionierte parteiübergreifend.

Hauptsache rentabel

Doch die Nähe des Staates zu den Landesbanken ging der EU-Kommission in Brüssel zu weit. Die kritischen Wettbewerbshüter und die freien Banken monierten, dass die halbstaatlichen deutschen Geldinstitute im Wettbewerb mit den Geschäftsbanken im Vorteil seien, weil im Zweifelsfall der Staat für ihre Risiken haftet.

Die WestLB wurde Anfang 2002 als erste Landesbank umgebaut — nach den Plänen Neubers. Ein neuer Mann wurde an die Spitze gesetzt: Jürgen Sengera. Die Bank wurde gespalten in eine öffentlich-rechtliche Mutter, die das so genannte Fördergeschäft des Landes betreibt, und in eine privatrechtliche Tochter, die sich mit den anderen Banken im Wettbewerb um das internationale Kreditgeschäft kümmert.

Rentabilität stand plötzlich im Vordergrund. Doch die Sache ging schief. Im Gesellschafterkreis gab es ständigen Ärger. Vor allem die beiden Sparkassen-Verbände haben die neue Struktur nie gut geheißen.

Jetzt wird erst einmal korrigiert. Ein Nachfolger für Jürgen Sengera muss gefunden werden. Und der von Robin Saunders verantwortete Geschäftsbereich Spezialfinanzierung, so heißt es, soll verkauft oder aufgelöst werden.

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