Werbung:Klischees kauft keiner mehr

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Knorr-Werbung von 2004: Netter Hingucker, aber können sich Kundinnen mit dem Model identifizieren? (Foto: oh)

Werbung stellt Frauen oft als Hausfrau oder Lustobjekt dar. Warum der Konzern Unilever das jetzt ändern will.

Von Björn Finke

Der Geruch lässt Frauen offenbar durchdrehen. Kaum sprüht sich ein Mann mit dem Deo ein, rennen ihm attraktive, junge Damen hinterher oder springen ihm auf den Arm. Nicht sehr realistisch. Und sexistisch, sagen Kritiker. Doch über Jahre war dies die Masche der Werbespots von Axe. Die Deo-Marke gehört Unilever, einem der größten Konsumgüter-Hersteller der Welt. Er verspricht, solche Kampagnen in Zukunft zu bannen: Frauen sollen nicht länger als willenlose Lustobjekte oder als Heimchen am Herd dargestellt werden. Dafür sollen mehr Motive Frauen in verantwortungsvollen Positionen zeigen, etwa als Ärztin, die dem Zuschauer Unilever-Produkte ans Herz legt.

Keith Weed, der Marketingvorstand des Konzerns, verkündete den Plan beim Cannes Lions Festival. Dort werden Agenturen für ihre Kampagnen mit Löwen ausgezeichnet - es ist so etwas wie die Oscar-Verleihung der Werbebranche. "Es ist nun an der Zeit für unsere Branche, zu hinterfragen und zu ändern, wie wir Geschlechterrollen in unserer Werbung darstellen", sagte der Manager.

Unilever gibt jedes Jahr acht Milliarden Euro für Werbung aus und gilt als einer der größten Kunden der Agenturen. Der Konzern mit Sitz in Rotterdam und London vertreibt ein Sammelsurium von mehr als 400 Marken in mehr als 190 Staaten. Zu den Marken gehören etwa Knorr und Pfanni, Lätta und Langnese, Magnum und Ben & Jerry's, Domestos und Viss, Rexona und Dove.

Knorr zeigte früher gerne Mütter am Herd oder auch mal ein rassiges Model mit neckischer Peperoni am Ohr, inzwischen schwingen in den Anzeigen aber genauso Väter den Kochlöffel.

Das Thema Sexismus in der Werbung ist für Hersteller und Agenturen heikel. Dass Motive frauenfeindlich seien, ist die häufigste Beschwerde beim Deutschen Werberat. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will sexistische Reklame sogar verbieten; er bereitet einen Gesetzesentwurf vor. Auch die britische Aufsichtsbehörde für Werbung erwägt, härtere Regeln zu erlassen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan will darauf nicht warten. Vergangene Woche verkündete er, dass in Bussen, Bahnen und an Haltestellen keine Motive mehr gezeigt werden dürfen, die ungesunde Körpermaße propagieren.

Anlass für das Verbot des Labour-Politikers ist eine Kampagne vom vorigen Sommer. Da gingen Hunderte Beschwerden von Fahrgästen über Plakate ein, die für ein Schlankheitsmittel warben. Darauf zu sehen war das Model Renee Somerfield im Bikini, großer Busen, sonst sehr dünn. Daneben die Frage: "Ist Ihr Beach Body bereit?" Von Juli an werde die Londoner Verkehrsbehörde keine Motive mehr akzeptieren, die junge Leute unter Druck setzen könnten, unrealistische Körperformen zu erreichen, sagte Khan.

Bevor Unilever über die neue Werbestrategie entschied, ließ der Konzern die Darstellung von Männern und Frauen in Motiven und die Wirkung auf Betrachter über zwei Jahre hinweg untersuchen. Für die Studie wertete das Unternehmen 1000 Kampagnen weltweit aus - eigene und die von Rivalen. Demzufolge zeigen lediglich drei Prozent der Motive Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Etwa 40 Prozent der für die Studie befragten Frauen sagten, sie könnten sich nicht mit den Frauen identifizieren, die sie in der Werbung sehen.

Der börsennotierte Konzern will daher in seinen Kampagnen weg von alten Geschlechter-Klischees, damit die Motive "relevanter für die Kunden von heute" werden, wie es in Unilevers Mitteilung heißt. Tests hätten ergeben, dass Kampagnen, die moderne Geschlechterrollen zeigen, besser ankommen und der Marke stärker nutzen. Der Verzicht auf sexistische Motive sei darum nicht nur gut für die Gesellschaft, sondern auch gut fürs Geschäft. Wie schön.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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