Weltwirtschaft:Zweierlei Globalisierung

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Kaffeeernte in Costa Rica: Erzeuger verdienen wenig. (Foto: Juan Carlos Ulate/Reuters)

In Berlin finden nur wenige Kilometer voneinander entfernt zur gleichen Zeit zwei G-20-Konferenzen statt - mit verschiedenen Botschaften zur Globalisierung.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Konzerne und freiwillige Einsicht? Von wegen, findet Reiner Hoffmann. "Voluntaristisch haben uns die Kapitalisten noch nie Zugeständnisse gemacht", sagt der DGB-Chef. "Da braucht es feste Vorgaben." Nur so lasse sich die Globalisierung in den Griff kriegen.

Berlin am 2. Mai, im Tagungszentrum der Katholischen Akademie. Gewerkschaftsbund, kirchliche Hilfswerke, Umweltgruppen laden zum Wirtschaftsgipfel. Thema: "Visionen für den Neustart" der Globalisierung. Indirekt vertreten sind hier Näherinnen und Kaffeepflücker. Letztere, sagt Neumann, verdienten 30 Cent an dem Kilo Kaffee, das andere für zehn Euro weiterverkauften. Und solange zwar international schöne Normen aufgestellt, aber nicht durchgesetzt werden, ändere sich daran nichts. Ähnlich argumentieren alle an diesem Vormittag in Berlin. Greenpeace verkündet einen Zehn-Punkte-Katalog, dem zukünftige Handelsabkommen genügen müssen. "Gemeinsam wollen wir den globalen Handel in eine neue Zukunft führen", sagt Greenpeace-Geschäftsführerin Sweelin Heuss. Total transparent müsse über die Abkommen verhandelt werden, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft.

Die Kirchen fordern eine Globalisierung, die den Armen mehr Chancen verschafft. "Ein Grundproblem der globalen Wirtschaftsordnung besteht darin, dass sie den Interessen transnationaler Unternehmen faktisch Vorrang einräumt", sagt Misereor-Chef Pirmin Spiegel. Menschenrechte oder Umweltschutz träten dahinter zurück. Doch während die Konzerne vor internationalen Schiedsgerichten ihre Rechte einklagen können, gebe es für Menschenrechtsverstöße keine Instanz. "Diese Schieflage ist nicht hinzunehmen."

Während der Kapitalismus bei der Katholischen Akademie also harsche Kritik bekommt, treten die Vertreter transnationaler Unternehmen nur wenige Kilometer entfernt zusammen: zum B-20-Gipfel, einem Wirtschaftsgipfel im Kreuzberger Veranstaltungstempel Tempodrom. Auch hier geht es um die Globalisierung, nur ein wenig anders: das "B" steht für Business, es haben sich Banker, Vorstände, Geschäftsleute aller Art und natürlich die für Handel, Finanzen und Wachstum zuständigen Bundesminister versammelt. Sie alle sind Fans der globalen Arbeitsteilung.

Wolfgang Schäuble redet am frühen Nachmittag, als Gastgeber der globalen Gemeinde der G 20, welche die zwanzig mächtigsten Volkswirtschaften vereint. Über alle direkt oder indirekt (etwa über die Europäische Union) vertretenen Staaten erwirtschaften zwei Drittel der Weltbevölkerung etwa 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, sie bestreiten 80 Prozent des Welthandels. Schäuble sagt, dass man trotz aller Kritik die Uhr nicht zurückdrehen und die Globalisierung umkehren könne. Was die Welt brauche, sei "ein funktionierendes Forum für globale Regierungsführung", eben die G 20. Der Bundesfinanzminister zählt die drei größten Herausforderungen auf: Jede Regierung müsse die Belastbarkeit der Volkswirtschaft gegenüber unerwarteten Schocks verbessern, die Investitionsbedingungen verbessern, vor allem in Afrika, und schließlich die Digitalisierung meistern.

Der Bundesfinanzminister, seit Monaten im G-20-Einsatz, nutzt seine bekannten Redebausteine, um die Dringlichkeit klarzumachen, dass Globalisierung so gestaltet werden muss, dass mehr Menschen als bisher profitieren. Aber es ist auch Wahlkampf, und so trägt der CDU-Politiker selbstverständlich ein weiteres Mal seine Mahnung an die (selbstverständlich unabhängige) Europäische Zentralbank vor, aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen, "rechtzeitig" bitte.

Nach ihm spricht Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Sie redet über Digitalisierung, Bildung, Handel und Frauen. Und auch wenn sich ihr Englisch anders anhört als das Schäubles, inhaltlich reden CDU-Politiker und die SPD-Politikerin der Globalisierung das Wort.

© SZ vom 03.05.2017 / miba, gam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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