Welthandel:Weg vom Dollar

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Eisige Zeiten in Moskau: Putin will mehr Unabhängigkeit von den USA. (Foto: Mladen Antonov/AFP)

Russlands Präsident Putin will die Dominanz der amerikanischen Währung brechen. Dazu lockt er nun mit steuerlichen Vorteilen für Unternehmer, die in Rubel abrechnen - ein zum Scheitern verurteilter Plan.

Von Victor Gojdka, München

Es war bei einem Treffen der Energieindustrie, als Wladimir Putin den Vereinigten Staaten einen guten Rat gab. "Mir scheint, unsere amerikanischen Partner begehen einen kolossalen strategischen Fehler", sagte Putin. Indem das Weiße Haus Iran mit seinen Sanktionen vom Dollar abschneide, untergrabe es das Vertrauen in die Weltleitwährung. Negative Folgen dieser Politik? "Die kommen früher oder später", sagte Putin und ließ ein verschmitztes Grinsen über sein Gesicht huschen. Spätestens da wurde klar: Aus dem Rat war eine Drohung geworden.

Immer deutlicher wird in den vergangenen Tagen, dass sich der Kreml vom Dollar-Diktat befreien will. Der russische Finanzminister arbeitet an einem Plan, erste Unternehmen ziehen mit. Die Polittechnologen in Russland haben der Strategie einen Namen gegeben: Dedollarisazija. Weg vom Dollar. Denn seit Sommer drohen US-Politiker im Sanktionsstreit immer wieder, sie könnten amerikanischen Staatsbürgern verbieten, russische Staatsanleihen zu kaufen und am Ende gar russische Staatsbanken vom Dollar abklemmen. Das wäre ein gewaltiges Problem, sagt Russlandexpertin Elina Ribakova von der Denkfabrik Bruegel. Doch kann der Kreml die Weltleitwährung tatsächlich vom Thron stoßen?

Zentrum der russischen Bestrebungen war in den vergangenen Tagen ausgerechnet die Stadt Surgut. Hier, im westsibirischen Tiefland, reihen sich Plattenbauten an Plattenbauten. In Surgut verhandelt der viertgrößte Ölkonzern des Landes, Surgutneftegas, jedes Jahr seine Verträge. Westliche Ölhändler fliegen dazu persönlich in die Stadt, in der aktuell Temperaturen deutlich unter dem Nullpunkt herrschen. Frostig dürften auch die Gespräche laufen. Schließlich will der Konzern westliche Handelspartner dazu bringen, Öl nicht mehr in Dollar zu bezahlen, sondern in Euro, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Auch der Ölkonzern Gazprom Neft versucht offenbar, solche Verträge zu schließen. Westliche Abnehmer scheinen von den Plänen wenig begeistert. "Am Ölmarkt gibt traditionell eben der Dollar den Ton an", sagt Russlandexpertin Ribakova.

Die russische Politelite versucht bereits seit Jahren, den Einfluss des Dollars im Außenhandel zurückzudrängen, bisher mit überschaubarem Erfolg. Im Außenhandel flossen im vergangenen Jahr rund 70 Prozent der Exporterlöse russischer Firmen in Dollar, zeigen Zahlen der russischen Zentralbank. "Eine Abkehr vom Dollar in großem Maßstab wird Zeit brauchen", sagt Manfred Stamer, Russlandexperte beim Kreditversicherer Euler Hermes.

Daher versucht der Kreml jetzt auch auf außenpolitischer Ebene, am Lack des Dollars zu kratzen. Im September trafen sich der russische Präsident Putin und sein chinesischer Kollege Xi Jinping beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok. Dort vereinbarten die beiden Führer, miteinander stärker in nationalen Währungen zu handeln, also in Rubel und Renminbi. Bisher laufen nur knapp 20 Prozent des Warenaustauschs zwischen beiden Ländern in lokalen Währungen, wie aus Zahlen der Bank ING ersichtlich ist. "Durch den Handelsstreit ist auch Chinas Interesse größer geworden, enger mit Russland zu handeln", sagt Ribakova. "Das hat ein Fenster geöffnet, das der Kreml jetzt nutzt." Mit der Türkei und Iran strebt der Kreml ähnliche Vereinbarungen an, die angesichts der Wirtschaftskrisen in beiden Ländern allerdings eher symbolische Bedeutung haben dürften.

Zuletzt werkelte auch der russische Finanzminister Anton Siluanow zuletzt an einem Gesetzespaket, das russische Unternehmen dazu bewegen soll, beim Export lieber in Rubel statt in Dollar abzurechnen. Gleich zweimal erläuterte der russische Finanzminister seine Pläne dem Staatsfernsehen in halbstündigen Interviews. Die Essenz: Wer künftig mit Exportkunden Verträge in Rubel abschließt, soll Steuervorteile genießen. So will der Kreml dann etwa die Mehrwertsteuer schneller zurückzahlen und Unternehmen bis 2024 davon entbinden, ihre Exporterlöse aus dem Ausland nach Russland rückführen zu müssen.

Experten haben jedoch Zweifel, ob Siluanows Pläne tatsächlich etwas bringen. Denn gerade europäische Kunden dürften den Rubel kaum als Handelswährung akzeptieren, dafür schwankt sein Wert viel zu stark. Lediglich mit Ländern wie Weißrussland, Kasachstan oder Armenien handeln russische Exporteure vorwiegend in Rubel. Eine Dollar-Dämmerung lässt sich also leichter herbeireden, als umsetzen.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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