Weitere Tochtergesellschaften betroffen:Daten-Krake Bahn

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Die Deutsche Bahn hat weitaus häufiger illegal Krankheitsdaten von Mitarbeitern erfasst als bislang bekannt, jetzt sollen die Infos gelöscht werden. Und: Der Konzern möchte sich vergrößern.

D. Kuhr u. K. Ott

Die Deutsche Bahn (DB) strebt die milliardenschwere Übernahme des britischen Transportunternehmens Arriva an. Das geht aus einer Mitteilung der DB an die Londoner Börse hervor. Die Gespräche dauerten an, es sei nicht sicher, ob sie tatsächlich zu einem Angebot führten. "Wir sind an Arriva herangetreten wegen eines möglichen Übernahmeangebots", bestätigte ein Bahn-Sprecher, ohne weitere Details zu nennen. Am Markt wird ein Preis für Arriva von etwa 1,8 Milliarden Euro gehandelt. Damit wäre es der teuerste Kauf des deutschen Staatskonzerns seit der Übernahme des Logistikkonzerns Stinnes.

In den vergangenen Jahren hatte die Deutsche Bahn unter dem früheren Konzernchef Hartmut Mehdorn zahlreiche Logistikunternehmen gekauft. Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube hatte deshalb bei Bekanntgabe der Halbjahreszahlen im August verkündet, dass es nun erst einmal "eine Phase der Konsolidierung" geben müsse.

Doch offenbar scheint Arriva eine Gelegenheit zu sein, die die Bahn sich nicht entgehen lassen will. Mit dem Kauf würde sie ihre Marktposition in Europa auf einen Schlag deutlich ausbauen. Arriva ist derzeit in zwölf europäischen Ländern aktiv, vorwiegend im Personenverkehr, aber auch im Frachtverkehr. 2008 erwirtschaftete das Unternehmen mit 44.000 Mitarbeitern 3,35 Milliarden Euro Umsatz.

Anfang März waren Gespräche zwischen Arriva und der französischen Bahn SNCF beendet worden. Für die DB wäre es ein dramatischer Rückschlag gewesen, hätten sie Erfolg gehabt. Der europäische Markt für Schienenpersonenverkehr steht gerade an den Anfängen einer Liberalisierung. Jeder der großen Konzerne versucht, sich in Position zu bringen. Hätte SNCF Arriva übernommen, wären die Franzosen über Nacht in vielen Ländern präsent gewesen. Wollte die Deutsche Bahn sich eine vergleichbare Position aus eigener Kraft aufbauen, würde das Jahre dauern. Allerdings ist völlig offen, ob es tatsächlich zu einer Übernahme kommt.

Daten sollen jetzt gelöscht werden

Zugleich erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Konzernkreisen, dass die Deutsche Bahn in den vergangenen Jahren in weitaus größerem Maß illegal Krankheitsdaten von Mitarbeitern erfasst hat als bislang bekannt. Anders als im August mitgeteilt, wurden nicht nur bei dem Tochterunternehmen DB Sicherheit Listen mit Krankheitsdaten geführt, sondern noch bei drei weiteren Tochtergesellschaften.

Den Informationen zufolge hat die Konzernrevision mittlerweile festgestellt, dass auch bei DB Schenker Rail, bei der DB Zeitarbeit GmbH und der DB Fahrweg Dienste GmbH teilweise seit Mitte der neunziger Jahre fortlaufend Krankheitsdiagnosen von Mitarbeitern in EDV-Systemen erfasst wurden. Dies geschah nach Überzeugung der Konzernrevision unter Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Die Bahn bestätigte die Vorfälle am Donnerstag auf Anfrage. Sie seien allerdings von ihrem Ausmaß her nicht mit den Unregelmäßigkeiten bei DB Sicherheit vergleichbar.

Im vergangenen August hatte die Bahn von sich aus bekannt gemacht, dass bei dem Tochterunternehmen DB Sicherheit illegal Listen mit Krankheitsdaten von Mitarbeitern geführt und innerhalb des Konzerns weitergegeben worden waren. Unter anderem soll die jeweilige Krankheit sowie die Länge der Abwesenheit festgehalten worden sein. Der Vorstand hatte sich damals von zwei Geschäftsführern getrennt, die die Datenerhebung zu verantworten hatten. Unmittelbar nach diesem Vorfall seien 28 Konzerngesellschaften überprüft worden, sagte ein Bahn-Sprecher am Donnerstag zur SZ.

Dabei habe sich herausgestellt, dass bei drei weiteren Gesellschaften in einzelnen Betrieben Krankheitsdaten erfasst worden seien. Von 24300 Mitarbeitern seien 163 betroffen. Es sei ausführlich überprüft worden, ob sie dadurch Nachteile erlitten hätten. Doch dafür gebe es keine Anzeichen. Die Diagnosedaten in Personalakten oder sonstigen Systemen würden bis Ende März vollständig gelöscht oder geschwärzt.

Auch andere Unternehmen waren im vergangenen Jahr wegen der Sammlung von Krankendaten in die Kritik geraten. Zu ihnen zählen der Lebensmittel-Discounter Lidl und der Autobauer Daimler. Vorwürfe wurden auch gegen die Drogeriekette Müller erhoben.

© SZ vom 19.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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