Vorwurf der Korruption.:Siemens-Aufsichtsräte fordern Aufklärung

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Das Kontrollgremium berät über Einsatz unabhängiger Prüfer im Schmiergeldskandal. Unterdessen hat der erste Top-Manager ausgepackt.

Markus Balser und Klaus Ott

Mitglieder des Aufsichtsrats von Siemens wollen bei der Sitzung des Kontrollgremiums an diesem Montag den Einsatz externer Prüfer im Schmiergeldskandal durchsetzen. Ohne Hilfe von außen sei die Aufarbeitung des Skandals zum Scheitern verurteilt, sagte ein Mitglied des Gremiums der Süddeutschen Zeitung. Das Gremium werde voraussichtlich bereits am Montag einen entsprechenden Auftrag erteilen, hieß es weiter. Vorstandschef Klaus Kleinfeld befürworte das Vorgehen, verlautete aus Unternehmenskreisen.

Unklar sei allerdings noch, welcher Zeitraum durchleuchtet werde. Nach bisherigen Erkenntnissen von Staatsanwaltschaften in mehreren Ländern waren in den neunziger Jahren über schwarze Kassen in Österreich hohe Beträge für Schmiergeldzahlungen ausgegeben worden.

Vorgänge aus der Pierer-Ära

Werden auch diese Vorgänge untersucht, dann reicht die Prüfung weit in die Ära des damaligen Vorstandschefs Heinrich von Pierer hinein, der heute den Aufsichtsrat leitet. Beschränkt sich die Prüfung dagegen auf die in diesem Jahrzehnt installierten schwarzen Kassen in Liechtenstein und in der Schweiz, dann sind deutlich weniger Erkenntnisse zu erwarten. Insgesamt sind mindestens 200 Millionen Euro abgezweigt worden.

Harte Kritik wird aus dem Aufsichtsrat an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG laut, die die Bilanzen von Siemens kontrolliert. Es sei fraglich, ob die Prüfer konsequent genug nachgehakt hätten. "200 Millionen Euro dürfen nicht einfach verschwinden, ohne dass die Prüfer das bemerken", sagte ein Aufsichtsrat.

Nach Angaben aus Unternehmenskreisen soll KPMG-Chef Rolf Nonnenmacher bei der Sitzung am Montag erklären, wie offenbar jahrelang unbemerkt Gelder aus dem Konzern geschleust werden konnten. Nach SZ-Informationen war das Testat für das abgelaufene Geschäftsjahres 2005/06 erst Mitte vergangener Woche und damit ungewöhnlich spät eingegangen.

Es habe erhebliche Probleme gegeben, hieß es aus Konzernkreisen. Im Aufsichtsrat soll nun auch beraten werden, ob und in welchem Zeitraum die Geschäftsberichte der Vorjahre überprüft werden müssten.

Nokia hält an Joint-Venture fest

Derweil will Nokia am geplanten Telekom-Joint-Venture mit Siemens auch angesichts der Korruptionsaffäre festhalten. Die Integration gehe weiter, sagte eine Sprecherin. Die Affäre beschäftigt inzwischen nach SZ-Informationen aber auch die künftige Konzernführung des Joint-Ventures, das Anfang 2007 starten soll.

Der designierte Nokia-Siemens-Networks-Chef Simon Beresford-Wylie habe angekündigt, Spitzenmanager in die Prüfung von Vorwürfen einzuschalten, hieß es aus Unternehmenskreisen. So solle die Verbindungen der Siemens-Kommunikationssparte nach Gibraltar untersucht werden, die ins Visier von Ermittlern geraten war.

Bisher sechs Geständnisse

Die Münchner Staatsanwaltschaft kommt bei ihren Ermittlungen zügig voran. Nach insgesamt sechs Geständnissen von ehemaligen und aktiven Beschäftigten bei Siemens packt mit dem früheren Finanzvorstand der Sparte Telekommunikation (Com), Michael Kutschenreuter, nun erstmals auch ein Top-Manager aus, wie in einem Teil der Wochenendausgabe bereits gemeldet.

"Unser Mandant orientiert sich an den Vorgaben des Vorstandsvorsitzenden Kleinfeld, der eine schonungslose Aufklärung gefordert und angekündigt hat", sagten Kutschenreuters Anwälte Leonard Walischewski und Thilo Pfordte.

Von den Aussagen des Top-Managers, der in Untersuchungshaft sitzt, erhoffen sich die Fahnder offenbar Aufschluss darüber, ob und inwieweit die Konzernspitze in den Skandal verwickelt ist. Kutschenreuter arbeitet seit 1974 bei Siemens und saß bei der Com-Vorgängergesellschaft IC Networks zusammen mit Thomas Ganswindt im Vorstand. Ganswindt, der später in den Zentralvorstand von Siemens aufrückte, ist schwer belastet worden.

Der frühere Angestellte Reinhard S., der schwarze Kassen eingerichtete hatte, sagte in seinem Geständnis aus, er habe Ganswindt Anfang 2004 über Schmiergeldzahlungen informiert. Ganswindt hatte Siemens vor zehn Wochen verlassen.

© SZ vom 11.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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