Vorstoß von Deutschland und Frankreich:Allianz für eine Transaktionssteuer

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Berlin und Paris wollen die Finanzbranche an den Kosten der Krise beteiligen. Sie drängen auf die Einführung einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte - und zwar in möglichst vielen europäischen Ländern. Jetzt gehen Deutschland und Frankreich in die Offensive, um Mitstreiter zu finden.

Cerstin Gammelin

Es klappt mal wieder mit der deutsch-französischen Zusammenarbeit - und noch dazu in einer heiklen Steuerangelegenheit. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein Ressortkollege Pierre Moscovici haben bei der Europäischen Kommission einen Antrag "auf Einleitung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer" gestellt. Und gleichzeitig versprochen, bei den anderen 25 europäischen Staaten um eine Beteiligung an der verstärkten Zusammenarbeit zu werben.

Hinter diesen so technisch wie bürokratisch klingenden Sätzen verbirgt sich eine gute Nachricht für die Bürger. Berlin und Paris wollen die Finanzbranche an den Kosten der Krise beteiligen. Und zwar durch eine Umsatzsteuer auf börsliche und außerbörsliche Finanzgeschäfte - die in möglichst vielen europäischen Ländern eingeführt werden soll. Noch in diesem Jahr sollen die Vorbereitungen getroffen werden.

Die Europäische Kommission bestätigte, dass entsprechende Schreiben aus Berlin und Paris eingetroffen seien. Der zuständige Kommissar Algirdas Semeta sei "bereit", die Arbeiten an einer europaweit harmonisierten Finanztransaktionssteuer fortzuführen, sagte seine Sprecherin der Süddeutschen Zeitung. "Unsere Mitarbeiter sind mobilisiert".

Bis sie tätig werden können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst müssen mindestens sieben weitere europäische Staaten schriftlich erklären, dass sie diese Steuer einführen wollen. Erst wenn neun Staaten beisammen sind, ist die Voraussetzung für eine verstärkte Zusammenarbeit gegeben.

EU-Beamten zufolge denken 14 Regierungen darüber nach. Allerdings schwanke die Zahl ständig, hieß es in Brüssel. Vor allem, weil sich die Staaten uneins seien, wie die Einnahmen verwendet werden sollten. Deutschland, Polen, die Slowakei und Ungarn wollen die Einnahmen nicht - wie ursprünglich vorgeschlagen - in den EU-Haushalt geben und damit die nationalen Zahlungen verringern. Frankreich, Belgien, Griechenland und Österreich plädieren für diese Idee. Spanien und Italien zögern, weil sie hoffen, mit ihrer Unterschrift anderswo Zugeständnisse zu erhalten. Großbritannien, Tschechien, Luxemburg, Malta und Zypern sind gegen die Steuer.

In Berlin, Paris und Brüssel hofft man, dass sich bis zum 9. Oktober die neun Staaten finden, welche die Steuer verbindlich wollen. An diesem Tag beraten die 27 EU-Finanzminister in Luxemburg. Klappt das, müssen die anderen, nicht beteiligten Staaten dem Vorhaben zustimmen. Dafür ist das nächste Treffen der Finanzminister im November vorgesehen. Beschließen die 27 Ressortchefs die verstärkte Kooperation zur Einführung einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte einstimmig, kann die Kommission die Gesetzgebung starten.

Als Grundlage soll der Vorschlag zur Einführung einer europaweiten Finanzsteuer dienen, den die Behörde am 28. September 2011 vorgelegt hatte - und der an London und Luxemburg scheiterte. Sie sollte 2014 eingeführt werden und jährlich 55 Milliarden Euro einbringen. Besteuern wollte die Kommission jede Transaktion, an der jemand aus der EU beteiligt ist. Das galt auch für außerhalb der EU getätigte Geschäfte. Die Einnahmen sollen in das Land fließen, in dem der Marktteilnehmer sitzt, also nicht in das Land, in dem gehandelt wird. Der Primärmarkt, also die Erstausgabe von Aktien oder Anleihen, sollte ausgenommen werden, um Unternehmen und Staaten nicht die Kapitalaufnahme zu erschweren. Dasselbe galt für Devisengeschäfte am Spotmarkt. Derivate auf Währungsgeschäfte sollen unter die Regelung fallen.

© SZ vom 29.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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