Volvo:Auf Autopilot

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Ohne Gurt, aber mit Sektglas: Geely-Chef Li Shufu und Volvo-Chef Håkan Samuelsson posieren 2015 auf der Automesse in Shanghai. (Foto: Karin Olander/dpa)

In Zeiten von Car-Sharing und Klimawandel hat Volvo zum ersten Mal mehr als 500 000 Wagen verkauft. Grund sind neue Modelle - und ein Investor.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Autofahren ist oft ziemlich langweilig, vor allem auf den langen, leeren Autobahnen in Schweden. Auf dem Weg von Göteborg nach Stockholm schaltet Volvo-Chef Håkan Samuelsson zwischendurch gern den Assistenten ein, schneller als 110 Kilometer pro Stunde darf er in Schweden meist sowieso nicht werden. Vom Firmensitz in die Hauptstadt dauert es fünf Stunden. In Samuelssons Auto der Zukunft soll man diese Zeit besser nutzen, sich hinter dem Steuer Filme oder Youtube-Videos anschauen können, während der Autopilot den Rest übernimmt. Vielleicht fänden dann auch jüngere Menschen Autos wieder interessant, glaubt er. Bis 2020 solle es so ein Auto zum Zurücklehnen, ein "lean back"-Auto, geben. In Stockholm hat Samuelsson Volvos neuen Kombi V90 und die Zahlen aus dem vergangenen Jahr vorgestellt. "Lean back"-Zahlen könnte man auf den ersten Blick dazu sagen, Zahlen, bei denen man sich zufrieden zurücklehnen kann: Volvo hat seinen Gewinn 2015 verdreifacht, auf umgerechnet 700 Millionen Euro. Geschafft hat das der schwedische Hersteller, indem er zum ersten Mal in der Firmengeschichte mehr als eine halbe Million Autos im Jahr verkauft hat, genau genommen 503 127. In China waren es mit etwa 81 000 etwas mehr als in seinem deutlich kleineren Heimatland Schweden, doch in Schweden immer noch mehr als in den USA. Schweden, USA, China, das ist in gewisser Weise der Leidensweg des Konzerns. 1999 übernahm US-Hersteller Ford den schwedischen Autobauer, geriet in die Krise und verkaufte Volvo 2010 an den chinesischen Investor Li Shufu, den Gründer und Haupteigentümer des chinesischen Herstellers Geely. In den ersten Jahren danach machte Volvo noch Verlust, nun geht es wieder bergauf. Genützt habe vor allem, "dass Volvo nun eine richtige Firma ist und keine Division mehr", sagt Samuelsson. Der Einfluss von Geely halte sich in Grenzen, beschränke sich auf den Aufsichtsrat. Diese Eigenständigkeit bedeutet jedoch auch, dass das Geld für die notwendigen Investitionen bei Volvo nicht von Geely kam, sondern hauptsächlich aus Darlehen. Volvo hat sich 2011 vorgenommen, innerhalb von fünf Jahren umgerechnet zehn Milliarden Euro in neue Modelle und Werke zu investieren.

Dabei war anfangs keineswegs sicher, dass die Kombination aus chinesischem Eigentümer und schwedischem Autohersteller Erfolg haben würde. Li Shufu fremdelte mit dem skandinavischen Design, diesem schlichten, reduzierten Auftreten. Die Diskussion sei gewesen, inwieweit das überhaupt ein Luxusgefühl vermitteln könne, erklärt Chefdesigner Thomas Ingenlath die anfängliche Sorge des Investors. Man müsse eben sehr auf die Details achten, es dürfe am Ende nicht spartanisch wirken. Der Chefdesigner sagt, dass er sich gerne vom Design für Jachten inspirieren lasse, da gelte auch oft: je teurer, desto weniger Chi-chi. Als er den neuen Kombi V90 vorstellt, konzentriert er sich aber dann doch auf ein typisches Volvo-Erkennungsmerkmal: Die senkrechten Rücklichter. Die knicken beim neuen Modell unten ab wie ein L und ziehen sich über die Heckklappe.

Wie will er noch wachsen, wenn junge Menschen keine Autos mehr kaufen?

Volvo-Chef Samuelsson hat mit den neuen Modellen große Ziele: Bis 2020 möchte er von einer halben Million auf 800 000 verkaufte Autos erhöhen. Ein Viertel davon will er in China loswerden, dort müssen immerhin drei neue Werke ausgelastet werden. Außerdem will Samuelsson zurück auf den amerikanischen Markt und drittens Volvos Marktanteil in Europa in den nächsten Jahren auf zwei Prozent verdoppeln. Bisher ist Volvo nicht nur bei den Verkaufszahlen deutlich hinter BMW und Mercedes. Vor allem die Gewinnmarge ist bei den Schweden mit vier Prozent noch deutlich kleiner. Auch das soll sich bis 2020 ändern, bis dahin möchte Samuelsson die Konkurrenz eingeholt und eine Marge von acht bis zehn Prozent haben.

Doch wie will er wachsen in einer Zeit, in der junge Menschen weniger Autos kaufen, die Städte überfüllt sind und der Klimawandel neue Einschränkungen mit sich bringt? Der VW-Abgasskandal habe der gesamten Branche geschadet, sagt der Volvo-Chef. Sie habe an Glaubwürdigkeit verloren, durch mehr Regulierungen werden nun alles teurer. Ein Weg zum Erfolg ist für ihn neben dem autonomen, selbst steuernden Auto die Elektromobilität. Bis 2018 möchte Samuelsson ein Elektroauto mit einer Reichweite von mindestens 500 Kilometern bauen. Die jüngeren Kunden möchte er über Sharing-Angebote kriegen, in Schweden etwa kann man sich einen Volvo beim Anbieter Sunfleet leihen.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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