Verstrickungen in Rüstungspolitik:Schaeffler-Familie legt NS-Vergangenheit offen

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Offiziell beginnt die Unternehmenshistorie von Schaeffler erst im Jahr 1946 mit Gründung der INA. Doch die Firma hat eine dunkle Vorgeschichte, die bis jetzt verborgen gehalten wurde.

Auf der Webseite des Unternehmens Schaeffler lautet der erste Eintrag unter dem Punkt "Unternehmensgeschichte": "1946 - die Brüder Dr. Wilhelm und Dr. Georg Schaeffler gründen INA in Herzogenaurach". Doch die Geschichte ging schon wesentlich früher los, nur sah die Schaeffler-Familie lange Zeit keinen Grund, die Archive zu öffnen.

Der angeschlagene Automobilzulieferer war tiefer in die Politik des Dritten Reiches verstrickt als bislang angenommen. (Foto: Foto: dpa)

Jetzt aber hat der angeschlagene Automobilzulieferer Schaeffler seine Verstrickungen in die Rüstungspolitik des Dritten Reiches offengelegt. Der von der Schaeffler-Familie beauftragte Historiker Gregor Schöllgen veröffentlichte im Politik-Magazin Cicero entsprechende Forschungsergebnisse.

"Die Brüder Schaeffler sahen keine Veranlassung, ihre frühen Jahre ohne Not kritischen Blicken auszusetzen", sagte Schöllgen Cicero. Erst die Witwe Maria-Elisabeth Schaeffler, die 1963 in die Familie eingeheiratet hat, habe schon vor längerem die Archive öffnen lassen und eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit ermöglicht.

Aus der Davistan AG hervorgegangen

Vor dem Hintergrund "falscher Unterstellungen" im Internet "hat Professor Schöllgen dazu sein etwa zwei Jahre altes Gutachten aktualisiert und die wesentlichen Ergebnisse zur Klarstellung veröffentlicht", begründete ein Firmensprecher am Mittwoch den Schritt der Familie.

Nach dem Vorabbericht von Cicero war der angeschlagene Automobilzulieferer tiefer in die Politik des Dritten Reiches verstrickt als bislang angenommen.

Danach sei Schaeffler nicht nur aus der vormals jüdischen Davistan AG hervorgegangen. Das Unternehmen habe sich im Zweiten Weltkrieg stark in der Rüstungsproduktion engagiert und dabei auch Zwangsarbeiter beschäftigt.

Die Davistan Krimmer-, Plüsch- und Teppichfabriken AG wurde dem Bericht zufolge als David & Co in Berlin gegründet. Sie habe der jüdischen Familie Frank gehört, die sich im Sommer 1933 zur Flucht aus Deutschland entschlossen habe. Sie soll den Banken einen Schuldenberg hinterlassen haben und die Gläubiger hätten erfolglos versucht, an Geld zu kommen. Seit 1937 sei Käufer gesucht und im Oktober 1940 in Wilhelm Schaeffler gefunden worden.

Ausschlaggebend für den Besitzerwechsel und den relativ günstigen Kaufpreis sei die Schieflage der Firma gewesen, nicht die politischen Rahmenbedingungen. Diese hätten allerdings dem Käufer zugespielt.

Weiteren Erkenntnissen zufolge sei der Firmenmitbegründer Wilhelm Schaeffler 1946 von den Amerikanern an Polen ausgeliefert und dort angeklagt worden, weil er "im Auftrag der deutschen Regierung" an der "Liquidierung des dem polnischen Staat und den polnischen Bürgern gehörenden Besitzes" beteiligt gewesen sei.

Das Urteil vom April 1949 des zuständigen Bezirksgerichts habe den Vorwurf auf "jüdisches Eigentum" ausgeweitet. Wilhelm Schaeffler musste daraufhin für mehrere Jahre ins Gefängnis in Bialystok und Warschau. Erst am 23. Juli 1951 sei er frei gelassen worden.

© sueddeutsche.de/AFP/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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