Versicherungsbranche:Veraltete Methoden

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Brände und Stürme können Versicherer viel Geld kosten. Vor allem dann, wenn Risiken nicht richtig eingeschätzt werden. Gerade hier gebe es Defizite, heißt es in der Branche.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger, Monaco

Britney Spears, Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson haben eins gemeinsam: Sie leben in Malibu in Kalifornien. Sie dürften es demnächst schwerer haben, Versicherungsschutz gegen Waldbrände für ihre Villen mit Millionenwerten zu bekommen. Zwar werden in Kalifornien die Preise für diesen Schutz staatlich festgelegt. Aber Versicherungsunternehmen können sich zurückziehen und die Deckung einfach nicht mehr anbieten.

Der Rückversicherer Munich Re hat die Waldbrände der vergangenen Jahrzehnte analysiert, mit vielen Daten über Versicherungsschäden zusammengebracht und die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Waldbrandgefahr berechnet. Für jeden Ort, fast für jedes Haus, gibt es jetzt eine Risikoeinschätzung, einen sogenannten Score.

"Wir haben hochauflösende Risikokarten für unsere Kunden, die Versicherer", sagt Tony Kuczinski aus der US-Führung des Rückversicherers. "Der Ort Malibu und die Berge in der Bucht von Santa Monica liegen auf einer Skala von 0 bis 100 bei einem Waldbrand-Risikoscore von 100, also in einer extrem gefährdeten Zone." Mit derselben Methode verfolgt die Gesellschaft die Waldbrandrisiken in anderen US-Bundesstaten, in Kanada und in Portugal. Andere Länder sollen folgen.

Munich Re ist nicht die einzige Gesellschaft, die an so etwas arbeitet. Das Ziel ist für alle Anbieter dasselbe: Die Rückversicherer, also die Versicherer der Versicherer, wollen sich als Dienstleister ihrer Kunden unentbehrlich machen. Denn die Nachfrage nach dem Kerngeschäft, der Rückversicherung, schwächelt. Und die Konkurrenz wird immer härter, seitdem branchenfremdes Kapital aus Pensionsfonds und von anderen Investoren in den Markt strömt.

Jahrelang sind die Preise gesunken für die Branche, die auf 227 Milliarden Euro Umsatz im Jahr kommt. Die Gewinne im Kerngeschäft gehen auch zurück. Doch Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek ruft die Trendwende aus. "Wir sehen weltweit eine Stabilisierung der Preise", sagt er. "Es gibt kaum noch Bereiche, in denen wir eine Absenkung erleben." Vor allem nach großen Schäden gebe es signifikante Preiserhöhungen.

Die Ratingagentur Fitch hat berechnet, dass die Preise in diesem Jahr um ein bis zwei Prozent steigen. "Das wird 2020 weitergehen, aber weniger stark als 2019", sagt Fitch-Experte Graham Coutts. Das klingt ein wenig so, als würde sich die Lage normalisieren. Aber nicht alle Fachleute teilen diese Ansicht. Die auf Versicherer und Rückversicherer spezialisierte Rating-Agentur A.M. Best glaubt, dass die Branche noch tiefgreifendere Probleme hat. Sie arbeite mit veralteten Methoden und sei selbstgerecht, lautet der Vorwurf. "Die Waldbrände des Jahres 2018 und der Taifun Jebi in Japan haben viele Underwriter in den Gesellschaften überrascht", erklärt Robert De Rose von A.M. Best. Underwriter sind die Experten, die Preise für den Versicherungsschutz festlegen. "Sie haben bei der Festsetzung ausreichender Preise für diese Risiken versagt."

Blick auf Monaco. Hier trifft sich jedes Jahr die Versicherungsbranche. (Foto: PATRICE COPPEE/AFP)

Die Branche verlasse sich auf schlechte Risikomodelle und Werkzeuge, die nicht in der Lage seien, die wirkliche Entwicklung der Risiken zu erkennen. Die Rückversicherer hätten sich während der Jahre mit niedriger Schadenaktivität eine "gewisse Selbstzufriedenheit" angewöhnt. Auch der Munich Re-Rivale Swiss Re bläst in dieses Horn. Rückversicherer sollten eigene Risikomodelle entwickeln, statt sich nur auf Modelle von externen Anbietern zu verlassen, sagt Edouard Schmid, der dort für die Risikobeurteilung verantwortlich ist. "Im Markt hat viel Konsolidierung stattgefunden", sagte er. Es gebe nur noch wenige große Dienstleister, die Risikomodelle anbieten. "Das ist nicht gesund." Auf diese Weise herrschten immer eine oder zwei Sichtweisen auf ein Risiko vor. Besser sei es, selbst an Modellen zu arbeiten und sie kontinuierlich weiterzuentwickeln. Swiss Re mache das seit Jahren zusammen mit Partnern wie der Columbia University.

Auch Munich Re setzt immer mehr auf die eigene Entwicklung. Ein Schwerpunkt sind Modelle, mit denen der Rückversicherer die Risiken von Cyberangriffen vorhersagen will - keine einfache Aufgabe. Dort arbeite das Unternehmen mit zahlreichen Partnern zusammen. "Dazu gehören auch die guten Hacker", sagt Jeworrek. Seine Firma hat sich gerade an dem Spezialunternehmen Team 8 in Israel beteiligt, das gute Beziehungen zum dortigen Geheimdienst hat.

Die klammheimliche Hoffnung mancher Rückversicherer, ein hoher Schaden durch den Hurrikan Dorian hätte zu einem Preissprung geführt, ist inzwischen zerstoben. Dorian hat in den Bahamas wirtschaftliche Schäden von rund sieben Milliarden Dollar angerichtet, von denen aber nur zwischen 1,5 Milliarden Dollar und 3 Milliarden Dollar versichert sind, heißt es in der Branche. "Insgesamt rechne ich mit einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag an versichertem Gesamtschaden", sagt Jeworrek. Das wären also fünf Milliarden Dollar bis sieben Milliarden Dollar - viel zu wenig, um in dieser Branche eine nennenswerte Auswirkung auf die Preise zu haben.

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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