Versicherungen:Verdächtig erfolgreich

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Der Versicherer Hanse Merkur erstaunt mit überdurchschnittlichem Wachstum, vollmundigen Versprechungen und sparsamer Kommunikation. Kritiker sehen zweifelhafte Methoden.

Von Herbert Fromme, Hamburg

Der Mann polarisiert zweifellos. Kein Treffen der privaten Krankenversicherer (PKV), bei dem es nicht um die Hanse Merkur und ihren Vorstandsvorsitzenden Eberhard Sautter geht. Dabei ist die Gesellschaft nur die Nummer zwölf im Markt. Aber der 51-jährige Schwabe mit Dienstsitz in Hamburg schafft es mühelos, seine Kollegen in Rage zu bringen.

Die gesamte Branche schrumpft im Moment in ihrem Kerngeschäft - 2015 gab es einen Rückgang bei den Vollversicherten um genau 47 100. "Wir haben fast 6000 gewonnen", sagt Sautter genussvoll. Seit 2005 ist der Mathematiker im Vorstand der Hanse Merkur, seit 2012 an der Spitze. In den vergangenen sieben Jahren hat die Gruppe ihren Umsatz glatt verdoppelt, auf jetzt zwei Milliarden Euro. Wachstumsraten, von denen Größere nur träumen.

Sautter bietet bei allen Erfolgen jede Menge Angriffspunkte und trägt wenig zur Aufklärung bei. Da ist das seltsam anmutende Geschäft mit dem Vergleichsportalanbieter Unister, gegen dessen Führung die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Versicherer gab Unister ein Darlehen über rund 50 Millionen Euro und vereinbarte den Kauf des Portals Geld.de. Verträge wurden unterschrieben, aber kurz vor dem Vollzug platzte der Deal. Warum? "Kein Kommentar", sagt der sonst so eloquente Sautter. Und das Darlehen? "Dazu dürfen wir nichts sagen."

Eingefädelt haben soll das Geschäft Peter Ludwig, zwischen 2003 und 2012 Vertriebsvorstand der Hanse Merkur und zuletzt Chef der von ihm aufgebauten Vertriebstochter Hanse Vertriebspartner. 2015 wurde Ludwig von Sautter gefeuert. Warum? Wieder kein Kommentar.

Zu den weiteren Schattenseiten des rigiden Wachstumskurses gehört der Rechnungszins, mit dem die PKV-Unternehmen beim Aufbau der Alterungsrückstellungen für ihre Kunden kalkulieren. Wer einen niedrigeren Zinssatz annimmt, was angesichts der realen Verhältnisse am Kapitalmarkt durchaus realistisch ist, muss dafür mehr Geld von den Kunden kassieren und fürs Alter zurücklegen.

Doch die Hanse Merkur rechnet mit hohen Zinssätzen. Beim Neugeschäft sind es 3,25 Prozent, für 83 Prozent der bestehenden Verträge sogar noch 3,5 Prozent. Die Folge: Die Hanse Merkur ist im Wettbewerb um neue Kunden attraktiver. Aber später muss sie die Tarife umso kräftiger anheben.

Immer noch bietet das Unternehmen die bei anderen Gesellschaften mittlerweile verpönten Billigtarife an. Vor allem junge Selbstständige schließen sie ab - und können oft nach kurzer Zeit die Beiträge nicht mehr bezahlen.

Schließlich agiert der Versicherer in einem weiteren zentralen Punkt zumindest unglücklich. Die meisten PKV-Versicherten können ihre Gesellschaft nicht wechseln, auch wenn sie unzufrieden sind. Sie dürfen ihre Alterungsrückstellung nicht mitnehmen, deshalb muss der neue Versicherer sehr hohe Preise nehmen. Umso wichtiger ist das Recht, beim eigenen Anbieter den Tarif zu wechseln.

Der seit Jahren vorhergesagte Zusammenbruch ist ausgeblieben

Lange Zeit wurden Kunden von den Versicherern hingehalten oder sogar falsch informiert, wenn sie in einen anderen Tarif wollten. Der PKV-Verband verabschiedete eine Leitlinie zum Tarifwechsel. Fast alle Gesellschaften unterschrieben - die Hanse Merkur nicht.

Und dann ist da der Vertriebsdienstleister Aurum, über dessen Tätigkeit die Hanse Merkur wenig sagt. Rivalen behaupten, über Aurum könne man elegant Sonderprovisionen über die gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenzen hinaus an Vermittler zahlen - die Hanse Merkur bestreitet das.

Es sind diese Teile des Geschäftsgebarens, gekoppelt mit dem sehr selbstbewussten Auftreten des Chefs, die den merkwürdigen Ruf der Gesellschaft begründen. Allerdings: Der seit Jahren von Konkurrenten vorhergesagte Zusammenbruch des Versicherers ist ausgeblieben. "Die Bilanzzahlen sind sauber", sagt ein Experte, der die Daten des Krankenversicherers genau analysiert hat. Doch Zweifel bleiben, wie lange es gut gehen kann, wenn ein kleiner Versicherer den Vertriebserfolg zum Maß aller Dinge macht.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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