Versicherungen:Ungewohnte Demokratie

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Mehr Kandidaten als Posten bei der Wahl fürs Präsidium, das ist für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ungewöhnlich. Auch neu: Erstmals kandidieren zwei Frauen.

Von Herbert Fromme, Köln

Es weht ein Hauch von Demokratie durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Bei der digitalen Mitgliederversammlung am Dienstag stehen 14 Kandidaten für 13 Sitze im Präsidium auf dem Wahlzettel. Das hat es in der 72-jährigen Geschichte noch nicht gegeben. Bislang war vorher immer ausgekungelt worden, wer in die Führung kam. Ein weiteres Novum: 2020 stehen zwei Frauen zur Wahl.

Der GDV vertritt alle Versicherer außer den privaten Krankenversicherern, die einen eigenen Verband haben. Damit unterscheidet sich die Branche deutlich von den Banken mit ihren fünf Verbänden.

Lange waren die Gemeinsamkeiten größer als die Gegensätze. Doch der Kitt bröckelt. In Zeiten niedriger Zinsen und des politischen Drucks unterscheiden sich die Interessen großer Konzerne wie Allianz, Generali, Axa oder Ergo immer deutlicher von denen der vielen kleinen Gesellschaften. Das ist der Grund, warum Dietmar Bläsing kandidiert, Chef des Volkswohl Bundes in Dortmund. Er sieht sich als Vertreter der kleinen Versicherer.

Krach gibt es auch um den GDV-Präsidenten. Im Amt bleibt wohl Wolfgang Weiler, der seit 2017 an der Spitze steht. Allerdings sind nicht alle darüber glücklich. Denn Weiler, bis Mitte 2017 Chef der Huk-Coburg, ist seither nicht mehr aktiv als Chef einer Versicherung. Eigentlich ist das die Voraussetzung für den Präsidentenjob. Weil der Rentner Weiler jetzt noch einmal antritt, ist eine erneute Satzungsänderung nötig. Munich Re-Chef Joachim Wenning soll über die Personalie verärgert gewesen sein und kandidiert nicht wieder für das Präsidium.

Die Versammlung beschließt auch über die künftige Verwaltung. Bisher wurde der GDV von einem Gremium aus bis zu fünf Geschäftsführern geleitet. Doch der neue Geschäftsführer Jörg Asmussen, einst Staatssekretär im Finanzministerium und Direktor der Europäischen Zentralbank, will eine straffere Struktur. Asmussen ersetzt Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, der in den Ruhestand geht.

Künftig gibt es neben Asmussen als Hauptgeschäftsführer nur noch zwei Stellvertreter. Aus der jetzigen Geschäftsführung wird das Peter Schwark, für den zweiten Posten sucht der GDV noch eine Frau. Zum 1. Oktober gehen müssen die Geschäftsführer Bernhard Gause und Klaus Wiener. "Natürlich braucht Asmussen Wiener nicht, er ist sein eigener Chefvolkswirt", spottete ein Manager. Möglicherweise werde Wiener mit 58 auch deshalb geschasst, weil er wie die meisten Versicherer ein vehementer Kritiker der EZB-Politik ist, während Asmussen sie eher verteidigt. Andere finden die Reform richtig: Das Problem sei nicht die Straffung der Struktur, sondern die frühere Aufblähung der Geschäftsführung, hieß es bei Vorstandsmitgliedern.

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