Versicherungen:Papierlos in die Zukunft

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Ausnahmsweise mal Stillstand: Im Lloyds-of-London-Building halten auch Broker und Underwriter anlässlich einer jährlich dort stattfindenden Veteranen-Gedenkfeier inne. (Foto: Matthew Lloyd/Getty)

Bei Lloyd's of London wird noch von Angesicht zu Angesicht verhandelt, allerdings nicht mehr lange.

Von Björn Finke

Auf dem Versicherungsmarktplatz "Lloyd's of London" wird noch von Angesicht zu Angesicht verhandelt. In den Handelsräumen des Hochhauses im Finanzviertel sitzen die Underwriter, die Vertreter der Versicherungen, an Schreibtischen. Versicherungsbroker gehen mit Akten unter dem Arm von Tisch zu Tisch, um für ihre Kunden Policen abzuschließen. Die eine Versicherung übernimmt dann zum Beispiel 40 Prozent des Risikos, dass ein Hackerangriff eine Raffinerie lahmlegt, andere Assekuranzen decken den Rest der versicherten Schadenssumme ab. Die Underwriter besiegeln das Geschäft, indem sie die Dokumente abstempeln. Viel Papier wird herumgetragen, wird fotokopiert und ausgedruckt. Damit soll bald Schluss sein.

Denn die Führung der Versicherungsbörse will die Underwriter und Broker zwingen, so viele Daten wie möglich elektronisch zu verschicken, anstatt Aktenberge zu bewegen. Inga Beale, die Vorstandschefin des Marktplatzes, sagt, Lloyd's of London müsse sich "modernisieren, wenn wir für die Zukunft relevant bleiben wollen". Die Geschichte der Börse reicht bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zurück, als in Edward Lloyd's Kaffeehaus Reeder und risikofreudige Investoren über Versicherungen für Schiffe verhandelten.

Heute ist Lloyd's of London der führende Marktplatz, wenn Firmen speziellen Versicherungsschutz suchen. Und manche Prominente ließen von den Underwritern wichtige Körperteile versichern. Die Beine des früheren Fußballers David Beckham waren 100 Millionen Pfund wert, die Hände des Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richards sind mit 1,6 Millionen Dollar abgesichert worden. Doch die Konkurrenz durch Handelsplätze in Asien macht den Londonern zu schaffen;zudem gelten Geschäfte bei Lloyd's als teuer und mühsam. Das Management führte daher 2016 ein elektronisches Handelssystem ein, aber nicht alle Broker und Underwriter nutzen es.

Der Marktplatz ist eben eine altmodische britische Institution. Weibliche Händler wurden erst in den Siebzigerjahren zugelassen, und Inga Beale ist - seit 2014 - die erste Frau an der Spitze. Die Chefin mischt die traditionsreiche Versicherungsbörse nun kräftig auf.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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