Rückversicherer:Keine Lust auf Pandemie-Risiken

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Leere Innenstädte in der Corona-Pandemie. Weil mehr Menschen das Auto stehen gelassen haben, gibt es in der Kfz-Versicherung weniger Schäden. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Die Rückversicherer treffen sich in diesem Jahr nur virtuell mit ihren Kunden statt wie sonst in Monte Carlo und Baden-Baden. Das bedauern viele - aber eines finden sie gut: Nach langer Zeit steigen die Preise wieder.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger, Köln

Normalerweise treffen sich tausende von Versicherungsprofis aus aller Welt zweimal im Jahr bei globalen Rückversicherungstreffen - im September in Monte Carlo und im Oktober in Baden-Baden. Bei beiden gibt es Empfänge, Abendessen und Parties. Aber der Schwerpunkt liegt auf beinharten Verhandlungen, immer im Halbstundenrhythmus. Da sitzen sich Versicherer wie Zurich oder Gothaer mit Rückversicherern wie Swiss Re oder Munich Re gegenüber und verhandeln über die Verträge für das kommende Jahr.

2020 ist wegen der Pandemie alles anders. Ja, ihr fehlten die persönlichen Kontakte, sagt Doris Höpke aus dem Vorstand der Munich Re. Die Pressekonferenz zum Treffen in Baden-Baden findet in diesem Jahr digital statt, so wie alle Verhandlungen. "Monte Carlo und Baden-Baden sind hoch effizient", sagt Höpke und meint damit, dass die Profis dort in einer Woche viele Termine wahrnehmen, für die sie sonst wochenlang reisen müssten.

Trotzdem laufen die Verhandlungen auch jetzt problemlos. Man kennt sich eben. Aus Sicht der Rückversicherer wird das ein gutes Jahr: Nach einer langen Dürrephase mit sinkenden Preisen steigen die Raten wieder.

Dazu hat die Pandemie beigetragen. "Es gibt jetzt ein größeres Risikobewusstsein in der Versicherungsbranche", sagt Höpke. "Alle sehen, was passieren kann." Deshalb kaufen die Versicherer mehr Rückversicherungsschutz und achten auf die Qualität. Was nützt ein günstiger Vertrag, wenn im Ernstfall der Rückversicherer pleitegeht?

Pandemie-Risiken sollen ausgeschlossen werden

Streitpunkte gibt es trotzdem. Die Rückversicherer wollen Pandemie-Risiken aus allen Verträgen ausschließen, Ausnahme sind die Lebens- und Krankenversicherungen. In der Betriebsunterbrechung und in verwandten Sparten werde man Schäden aus Pandemien nicht versichern, bestätigte Höpke. "Ein solches Risiko ist nicht versicherbar und wird deshalb ausgeschlossen." Dabei geht es um Betriebe, die zumachen müssen, weil der Staat das von ihnen im Lockdown verlangt, oder die wegen geschlossener Grenzen keine Teile mehr kriegen.

Genauso argumentiert Jonas Krotzek von der Hannover Rück. "Wir können Pandemien nicht flächendeckend abdecken", sagt Krotzek bei der Online-Veranstaltung der Gesellschaft. Jan-Oliver Thofern, verantwortlich für die Vermittlung von Rückversicherung beim Makler Aon, hält dagegen. Es mache wenig Sinn, hier dogmatisch vorzugehen.

Krotzek schätzt, dass Corona die deutschen Sachversicherer rund 1,25 Milliarden Euro bis 1,75 Milliarden Euro kosten wird, vor allem aus Betriebsschließungen und ausgefallenen Veranstaltungen. Dazu kommt der Aufwand in der privaten Krankenversicherung und in der Lebensversicherung. Thofern sieht den Schadenaufwand weltweit bei 26 Milliarden Euro.

Nur in der Kfz-Versicherung gibt es merklich weniger Schäden. Das liegt unter anderem daran, dass mehr Menschen im Home-Office gearbeitet und ihr Auto stehen gelassen haben. So war die Zahl der Schäden bis Juli um 16,2 Prozent niedriger als im Vorjahr. Die Schadenzahlungen gingen allerdings nur um 9,4 Prozent zurück - weil die Kostensteigerung bei Ersatzteilen und Reparaturen unverändert anhält. Dennoch: Die Branche kann 2020 auf einen Sondergewinn von 2,2 Milliarden Euro hoffen, kalkuliert Andreas Kelb, Spezialist für die Autoversicherung bei der Hannover Rück.

Ein Wechsel des Versicherers kann sich lohnen

Aktuell seien Versicherer bereit, gerade im Neugeschäft beim Preis nachzugeben - während sie für bestehende Verträge weiter hohe Prämien nehmen. Deshalb kann sich für den Kunden der Wechsel des Autoversicherers 2020 mehr lohnen als in früheren Jahren.

Weniger Probleme als mit der Pandemie haben die Rückversicherer mit Cyber-Risiken. Höpke erklärt, dass man hier nur "systemische Schäden" wie den Ausfall ganzer Netze aus der Versicherung ausschließt, andere Schäden seien versichert - auch wenn dasselbe Computervirus weltweit bei vielen Firmen zuschlägt. Das könne man regeln, sagt sie. Kunden könnten sich darauf verlassen, dass die Munich Re solche Schäden zahlt.

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