Vermögen:In Deutschland wird weniger vererbt

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Durch Erbschaften und Vermächtnisse wurden Vermögen von 59,7 Milliarden Euro übertragen. (Foto: imago classic/imago stock&people)

Das geerbte Vermögen war vier Jahre in Folge gestiegen, 2022 sank es erstmals wieder - und zwar um 5,8 Prozent. Aber es gibt eine Dunkelziffer.

Nach dem Spitzenwert 2021 wird weniger Vermögen in Deutschland vererbt oder verschenkt. Bei den Finanzverwaltungen wurden im vergangenen Jahr Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 101,4 Milliarden Euro veranlagt, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das sind 14,0 Prozent weniger als im Jahr 2021, in dem der höchste Wert seit 2009 erreicht worden war.

Das Niveau bleibt aber DIW-Präsident Marcel Fratzscher zufolge trotz des Rückgangs hoch. "Die Dunkelziffer bei Erbschaften und Schenkungen ist groß", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die wirklichen Summen dürften deutlich höher liegen. "Kaum ein Land besteuert Arbeit so stark und Vermögen so gering wie Deutschland", fügte Fratzscher hinzu.

Durch Erbschaften und Vermächtnisse wurden Vermögen von 59,7 Milliarden Euro übertragen. Nachdem das geerbte Vermögen vier Jahre in Folge gestiegen war, sank es damit 2022 erstmals wieder - und zwar um 5,8 Prozent. Bei Bankguthaben, Wertpapieren, Anteilen und Genussscheinen sowie Grundvermögen gab es ein vergleichsweise kleines Minus von 0,8 Prozent auf 23,7 Milliarden Euro. Beim übrigen Vermögen fiel der Rückgang dagegen mit 14,3 Prozent auf 29,6 Milliarden Euro stärker aus.

Die Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer sind großzügig

Das geschenkte Vermögen sank mit 23,6 Prozent auf 41,7 Milliarden Euro besonders stark. "Für den Rückgang war vor allem das verschenkte Betriebsvermögen ausschlaggebend", hieß es dazu. Dieses halbierte sich (-53,7 Prozent) auf 12,4 Milliarden Euro, nachdem es sich 2021 mehr als verdoppelt hatte. Das dürfte "auch auf die wirtschaftliche Krise und hohe Unsicherheit im vergangenen Jahr zurückzuführen sein", sagte DIW-Chef Fratzscher. "Denn Krisen sind ein schlechter Zeitpunkt, um einen Wechsel in der Leitung und im Eigentum von Unternehmen durchzuführen." Bei den Schenkungen rangierte das sogenannte verschenkte Grundvermögen mit 14,9 Milliarden Euro (+5,2 Prozent) an erster Stelle, gefolgt von dem verschenkten übrigen Vermögen mit 13,6 Milliarden Euro (+6,4 Prozent).

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde im vergangenen Jahr mit 11,4 Milliarden Euro beziffert, ein Plus von 2,6 Prozent. Sie wuchs damit zum fünften Mal in Folge. Nach Anwendung der Steuersätze - die je nach Verwandtschaftsverhältnis und Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs unterschiedlich ausfallen - wurde von den Finanzverwaltungen eine Erbschaftsteuer von 8,1 Milliarden Euro festgesetzt. Damit ist sie nach jahrelangem Anstieg erstmals im Vergleich zum Vorjahr gesunken, und zwar um 9,9 Prozent. Die veranschlagte Schenkungsteuer erhöhte sich dagegen um 56,7 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. "Dass der deutsche Staat nur knapp zehn Prozent aller registrierten Erbschaften und Schenkungen an Steuern einnimmt zeigt, wie großzügig die Ausnahmen vor allem für große Unternehmensübertragungen in Deutschland sind", kritisierte Fratzscher. "Über 60 Prozent aller Vermögen in Deutschland wurden durch Schenkung und Erbschaft erzielt, nicht durch die eigene Hände Arbeit." Wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) es ernst meine mit einem fairen Steuersystem, dann sollte er die vielen Ausnahmen bei Schenkungen und Erbschaften vor allem bei großen Unternehmen abschaffen.

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