Vor- und Zuname, Geburtsdatum, akademischer Grad, Anschrift - mit diesen persönlichen Informationen lässt sich viel Geld verdienen. Unternehmen kaufen solche Daten, um ihre Produktwerbung gezielt an potentielle Kunden zu bringen. Aber beispielsweise auch Inkassounternehmen bezahlen dafür. Dank des neuen Meldegesetzes bekommt nun auch der Staat seinen Anteil am Geschäft mit dem gläsernen Bürger: Künftig dürfen Städte Daten ihrer Einwohner verkaufen.
Vergangene Woche hat der Bundestag das neue Gesetz verabschiedet. Im Netz wird seitdem heftig debattiert, mit eindeutiger Stoßrichtung. "Einfach meine Daten verhökern? Geht's noch?", schreibt Twitter-Nutzer @kabukai. "Bei Facebook kann ich mir wenigstens aussuchen, welche Daten ich 'verkaufe'. Beim Meldegesetz schaut das anders aus ...", empört sich @kurzmitteilung. Als "unsäglich" wird die Regelung bezeichnet. Und ein Kritiker erwägt, "die" - gemeint ist wohl die Regierung - zu verklagen.
In den Protest der Internetnutzer stimmt auch die Opposition mit ein. Nach SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, der den Verkauf der Daten in der Süddeutschen Zeitung als nicht akzeptabel bezeichnet hatte und gewarnt hatte, das staatliche Melderegister sei "kein Vorratsdatenspeicher für Zwecke der Wirtschaft", äußern sich nun auch Vertreter von Grünen und Linken ablehnend zu dem Gesetz. Und selbst in den Reihen der Jungliberalen regt sich Widerstand.
"Schwerer Datenskandal"
"Mal wieder bedient Schwarz-Gelb eine Klientelgruppe und deren Profitinteressen und stellt den allgemeinen Daten- und Verbraucherschutz hinten an", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast in Berlin. Wer ein solches Gesetz durchgehen lasse, könne nicht ernsthaft - zum Beispiel bei Facebook - auf dem Prinzip der Einwilligung zur Datenweitergabe bestehen. Nun müssten die Länder im Bundesrat retten, was Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) versäumt habe.
Auch Petra Pau, Innenexpertin der Linke, kritisierte: "Der Ausverkauf des Datenschutzes geht weiter. Und das mit Zustimmung der FDP, die sich selbst als freiheitlich und demokratisch rühmt." Ihre Parteifreundin Eva Bulling-Schröter sprach von einem "schweren Datenskandal". Die Bürger müssten selbst entscheiden können, was mit ihren Daten geschehe und wer zu welchem Zeitpunkt Zugriff darauf habe, sagte die Bundestagsabgeordnete. Für Union und FDP hätten aber die Anliegen von Lobbyisten aus der Wirtschaft stets mehr Gewicht, als das Datenschutzinteresse der Allgemeinheit.
"Wir JuLis sind enttäuscht über die Novelle des Melderechts", sagte der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker. "Gerade Liberale sollten an dieser Stelle eine größere Sensibilität walten lassen. Die Daten der Einwohnermeldeämter sind dafür da, dass öffentliche Verwaltungen einen gesicherten Datenbestand haben und nicht damit irgendwelche Versandhändler meine Adressdaten überprüfen können."
Auch Datenschützer hatten das Gesetz scharf kritisiert. Thilo Weichert, der Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, sprach von "gesetzlichem Wahnsinn". Das neue Recht ermögliche "den privaten Handel mit vom Staat zwangsweise erhobenen Daten in großem Stil", sagte er der SZ. Ähnlich äußerte sich auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri.
Die Kritik entzündete sich an Paragraf 44 des neuen Bundesmeldegesetzes, das nach der Föderalismusreform die bisherigen Landes- und Bundesregelungen zusammenfasst. Der Paragraf ermöglicht es Adresshändlern, der Werbewirtschaft und Inkassofirmen umfassend Daten aus den amtlichen Registern abzugreifen.
Die Gesetzesänderung soll am 1. November 2014 in Kraft treten, bedarf aber vorher noch der Zustimmung des Bundesrates. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte im Hinblick auf die Abstimmung in der Länderkammer im Herbst: "Das Melderechtsgesetz wird den Bundesrat so nicht passieren."