Verhandlung vor dem EuGH:Bollwerk gegen Pillen-Discounter

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Verbissen kämpfen die Apotheker um ihr Monopol. Denn Konzerne wie Quelle, Rewe und Schlecker stehen bereit, in das Milliardengeschäft einzusteigen.

Das Geschäft mit Medikamenten ist ein hart umkämpfter Markt, milliardenschwer - doch für eine Apotheke ist es sehr schwierig, derart riesige Umsätze zu machen. Oder besser gesagt, unmöglich. Denn so attraktiv die Apothekenbranche ist, so reguliert ist sie auch. Vor allem in Deutschland. Seit Mittwoch beschäftigt der Fall den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Zittern bei den Apotheken: Die Pharmazeuten bangen um ihr Monopol. (Foto: Foto: dpa)

Wie schwer es für Apothekenketten ist, in Deutschland zu expandieren, erlebt die Discount-Apotheke Doc Morris. Im Saarland war dem Unternehmen, das zum Stuttgarter Pharmahändler Celesio gehört, der Betrieb einer Filialapotheke zum Juli 2006 genehmigt worden. Das Bundesland hatte damit bewusst auf die europäische Niederlassungsfreiheit gesetzt und einen Verstoß gegen deutsches Gesetz in Kauf genommen. Demnach dürfen Apotheker nur wenige Filialen betreiben, bundesweite Ketten - wie Doc Morris - sind sogar ganz unzulässig.

Die Bundesregierung vertrat diesen Standpunkt auch zum Auftakt der Verhandlungen vor dem EuGH. Der approbierte Apotheker stehe "mit seiner gesamten Persönlichkeit dafür ein, dass dem Versorgungsgedanken Rechnung getragen wird", argumentierte der Regierungsvertreter. Dagegen sind das Saarland und die EU-Kommission der Auffassung, das Verbot sei mit der europäischen Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar. Deutschland verhindere so den Marktzutritt von Kapitalgesellschaften aus anderen EU-Ländern.

Quelle prüft Einstieg

Auch die Apothekerkammer des Saarlandes, der Deutsche Apothekerverband und mehrere Einzelapotheken wollen die Expansion der Ketten stoppen. Sie hatten vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes geklagt, das daraufhin den EuGH anrief. Die Position von Apothekenverbänden und Bundesregierung findet zudem in etlichen europäischen Ländern Zustimmung, darunter Frankreich, Österreich und das von der EU-Kommission verklagte Italien. Das verschärfte Gewinnstreben von Kapitalgesellschaften stehe einer neutralen und aufklärenden Beratung entgegen. "Eine Kapitalgesellschaft hat kein Gewissen", sagte der Vertreter Italiens.

Dagegen entgegnete der Vertreter des Saarlandes, auch Angestellte seien der Apothekenverordnung verpflichtet.

So sehen das auch die Vertreter des Versandhändlers Quelle. Die Tochtergesellschaft des Arcandor-Konzerns prüft den Einstieg in den Medikamentenhandel. "Wir gehen davon aus, das im Laufe des Jahres zu entscheiden und zu starten", bestätigte ein Quelle-Sprecher der Financial Times Deutschland. Geplant sei die Zusammenarbeit mit einem Partner. Es liefen Gespräche mit potenziellen Kandidaten. Über Namen wollte der Sprecher keine Angaben machen.

In engeren Gesprächen ist Quelle dem Vernehmen nach mit einem Anbieter, der bereits in Deutschland tätig ist. Der Versandhändler arbeitet bereits mit Partnern zusammen, die im Internetshop des Unternehmens ihren Platz haben. Dies sei ein Modell, das sich Quelle auch für den Bereich Medikamente vorstellen könne, sagte der Sprecher. Denkbar sei auch das Angebot über die Quelle-Kataloge. Der Versandhändler bringt in diesem Modell die Kundenbeziehung und das Marketing mit und kassiert dafür vom Partner im Gegenzug eine Provision. Insgesamt hat Quelle etwa elf Millionen Kunden.

Easy in den deutschen Markt

Auch andere Unternehmen wittern ein großes Geschäft. Die Drogeriekette dm bietet bislang einen Bestell- und Abholservice für Medikamente mit der niederländischen Versandapotheke Europa Apotheek Venlo an. Konkurrent Schlecker will den Handel mit Medikamenten ausbauen und auch der Lebensmittelkonzern Rewe erwägt den Einstieg in den Arzneienmarkt. Die Deutsche Post testet den den Versand von Medikamenten mit der Easy-Apotheke.

Easy will schon lange in den deutschen Markt eingreifen. "Im kommenden Jahr wollen wir die Grenze von 100 Standorten überschreiten", sagte Oliver Blume, Vorstandschef der Easy-Apotheke, dem Handelsblatt. Möglich seien Preisreduzierungen von bis zu 50 Prozent im rezeptfreien Bereich. Dennoch komme man auch eine Nettorendite von 20 Prozent. 21 Standorte hat das 2004 als Versandapotheke gestartete Unternehmen schon in Betrieb genommen.

Vorerst wird jedoch noch weiter verhandelt. Sollte der EuGH das Apothekenmonopol zu Fall bringen, könnte der milliardenschwere deutsche Medikamentenmarkt kräftig aufgemischt werden. Mit einem Urteil wird Anfang kommenden Jahres gerechnet.

© sueddeutsche.de/dpa-AFX/Reuters/AFP/tob/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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