Verbraucher im Käuferstreik:Die Kettenreaktion der Krise

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Erst die Industrie, nun der Handel: Der Umsatz geht zurück und die Branche rechnet mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen.

Stefan Weber

Der Einzelhandel gerät stärker in den Sog der Krise. Im ersten Quartal haben die Ladenbetreiber nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 3,1 Prozent weniger umgesetzt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Konsumforscher befürchten, dass sich die Kauflaune angesichts steigender Arbeitslosenzahlen weiter eintrüben wird.

Drastische Preissenkungen: Mit zweistelligen Nachlässen kämpfen viele Kaufhäuser um ihre Kunden - und müssen trotzdem einen Umsatzrückgang hinnehmen. (Foto: Foto: ddp)

Um Kunden in die Läden zu locken, ist der Preis wieder zum wichtigsten Argument vieler Händler geworden. Aldi, die Nummer eins unter den Discountern, liefert sich seit Jahresbeginn eine Rabattschlacht mit seinem ärgsten Konkurrenten Lidl und anderen Billiganbietern. Elektronikgeschäfte sowie Möbelverkäufer werben mit Null-Prozent-Finanzierungen, und Baumarktketten gewähren zweistellige Preisnachlässe. Für Branchenexperten ist dies ein Indiz für die steigende Nervosität in der Branche.

Nach Berechnungen der Marktforscher von Nielsen hat der Einzelhandel seinen Werbeetat in den Monaten Januar bis März um 22 Prozent aufgestockt. Kräftig ankurbeln konnten die Ladenbetreiber ihr Geschäft damit nicht. Das Statistische Bundesamt registrierte einen Umsatzrückgang von 3,1 Prozent; unter Berücksichtigung der Preisentwicklung habe das Minus 3,2 Prozent betragen, teilte das Amt am Montag mit.

Enttäuschender März

Enttäuschend verlief vor allem der März mit einem Umsatzrückgang von nominal 1,8 Prozent. Handelsfachleute hatten mit einer sehr viel besseren Entwicklung gerechnet. Denn der März 2009 verzeichnete zwei Verkaufstage mehr als der entsprechende Vorjahresmonat. Auch hatten die Marktforscher der GfK Hoffnungen geschürt, denn sie ermitteln seit Monaten ein stabiles Konsumklima.

Schuld an der Flaute trägt nach Einschätzung des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) ganz wesentlich die Bundesregierung mit ihrer Entscheidung, eine Abwrackprämie von 2500 Euro je Altfahrzeug zu zahlen. "Die Entscheidung, auf diese Weise den Neuwagenverkauf anzukurbeln, war ein schwerer Fehler", sagte HDE-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. Denn das Geld, das die Verbraucher in Autos investierten, sparten sie jetzt an anderer Stelle. Betroffen davon sei vor allem der Verkauf langlebiger Konsumgüter.

Der HDE befürchtet in diesem Jahr einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen im Einzelhandel. Nach Schätzung des Verbandes droht etwa 5000 Ladenbetreibern das Aus. In den Jahren zuvor hatten jeweils 3000 bis 3500 Händler aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgeben müssen. Anders als in der Vergangenheit droht inzwischen auch Schwergewichten der Branche die Pleite.

Existenzkampf von Hertie und Woolworth

Die Warenhauskette Hertie ringt seit Monaten um ihre Existenz, die Billigkaufhäuser von Woolworth arbeiten seit kurzem unter Aufsicht eines Insolvenzverwalters, und auch Karstadt muss um sein Überleben fürchten. Am Montag wurde zudem das Insolvenzverfahren für die Herrenmode-Kette Pohland eröffnet, die bundesweit zwölf Filialen betreibt. Kreditversicherer wie Atradius und Euler Hermes sowie Wirtschaftsauskunfteien wie Creditreform zählen den Einzelhandel inzwischen zu den am stärksten von Zusammenbrüchen bedrohten Branchen.

Die Mehrzahl der Ladenbetreiber verfügt über so geringe Reserven, dass manchmal ein, zwei schlechte Monate ausreichen, um in Zahlungsnot zu geraten. Die Eigentümer sind selten bereit oder in der Lage, Geld nachzuschießen. Und Banken sind gegenüber notleidenden Händlern besonders zurückhaltend.

Besserung ist nicht in Sicht. Wenn in der zweiten Jahreshälfte die Zahl der Arbeitslosenzahlen wie befürchtet deutlich steigt, wird sich die Kauflaune nach Einschätzung von Konsumforschern weiter eintrüben. Im April hat sich das Bild für viele Ladenbetreiber jedoch noch einmal ein wenig aufgehellt: Das Ostergeschäft und milde Temperaturen kurbelten den Umsatz vor allem von Modeanbietern und Baumärkten an.

© SZ vom 05.05.2009/kaf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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