Vattenfall-Europe-Chef Hatakka:"Wir wollen wachsen"

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Vattenfall will seinen Marktanteil in Europa verdoppeln. Europa-Chef Tuomo Hatakka über den Kampf um Kohlekraftwerke und den Wettbewerb.

Michael Bauchmüller und Steffen Uhlmann

Seit Anfang des Jahres führt der Finne Tuomo Hatakka den Energiekonzern Vattenfall Europe. Seitdem hatte er nicht nur Freude. Nur gegen heftigen Widerstand konnte Vattenfall sein Hamburger Kraftwerk Moorburg durchsetzen. Das ist vom schwarz-grünen Senat nun zwar genehmigt, aber nur unter weitreichenden Auflagen. Hatakka schließt eine Klage nicht aus.

Europa-Chef von Vattenfall: Tuomo Hatakka (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Hatakka, macht es noch Spaß, einen deutschen Energiekonzern zu führen?

Tuomo Hatakka: Warum sollte es nicht?

SZ: Vielleicht, weil der deutsche Markt mitunter etwas kompliziert ist.

Hatakka: Das gehört zur Jobbeschreibung, damit muss man leben können. Ein paar Herausforderungen gibt es, stimmt.

SZ: Eine davon ist Moorburg, Ihr Kohlekraftwerk in Hamburg. Das dürfen sie jetzt bauen, aber nur abgespeckt.

Hatakka: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir haben die Genehmigung mit hohen Auflagen bekommen. Wir analysieren derzeit die weit über 700 Seiten Text. Die Auflagen sind eigentlich nicht branchenüblich. Sie sind auch anders als die Auflagen, die wir im November 2007 bekommen hatten.

SZ: Unter anderem dürfen Sie das Kraftwerk nur eine begrenzte Zeit im Jahr betreiben. Ist das wirtschaftlich?

Hatakka: Das ist schon eine Komplikation. Technisch, wirtschaftlich, auch juristisch. Wir versuchen alle drei Dimensionen zusammenzubringen. Es ist sicher nicht ausgeschlossen, dass wir dagegen klagen.

SZ: Was werfen Sie den Hamburger Behörden denn vor?

Hatakka: Wir sind ein Unternehmen mit mehreren europäischen Standorten, und wir sind in unseren Geschäftsbeziehungen vertragstreu. Das erwarten wir auch von unseren Partnern. Bei Moorburg war das nicht der Fall. Aus unserer Sicht hatten wir einen Vertrag. Darauf aufbauend haben wir mit dem Projekt angefangen, Verträge mit Lieferanten ausgeschrieben. Und plötzlich kommt eine neue Koalition, und der Vertrag soll nicht mehr gelten. Unvorstellbar.

SZ: Überall in Deutschland wächst der Widerstand gegen neue Kohlekraftwerke. Ist Kohle ein Auslaufmodell?

Hatakka: Deutschland ist abhängig von Kohleverstromung. Die Herausforderung ist, Kohlekraftwerke umweltfreundlicher zu machen. Das ist unser Ziel mit der CCS-Technologie. Vattenfall ist hier weltweit technologisch führend. Da scheiden wir Kohlendioxid ab und speichern es unterirdisch.

SZ: Wenn es denn je so weit kommt.

Hatakka: Sicher, das wird nicht morgen sein. Aber technisch haben wir das im Griff, es fehlen jetzt noch rechtliche Rahmenbedingungen. Ich gehe davon aus, dass wir die erste kommerzielle Generation von CCS-Kraftwerken 2020 in Betrieb haben. Dann müssen wir die Technologie schnell in unseren Kraftwerken installieren. Das ist total realistisch.

SZ: Bis dahin wird der Klimaschutz für Sie teuer. Die EU will die Regeln für den Emissionshandel verschärfen. Das trifft vor allem CO2-reiche Braunkohle.

Hatakka: Ja, aber wir brauchen diesen Emissionshandel. Nur so bekommen wir einen Preis für Emissionen und einen Anreiz, sie zu reduzieren, etwa mit CCS.

SZ: Sie setzen auf Strom aus Kohle, aber nicht auf dessen Übertragung. Warum wollen Sie die Netze loswerden?

Hatakka: Wir alle wissen, dass der Status quo keine Alternative ist. Irgendeine Trennung wird es geben. Ich halte das auch für vernünftig, es ist gut für die Transparenz auf dem Markt. Dann ist aber die Frage, wie man diese Trennung umsetzt. Wir analysieren die Alternativen. Wenn man über Verkauf redet, muss man das testen. Deshalb haben wir den Verkaufsprozess begonnen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über Vattenfalls Pläne für die Zukunft.

SZ: Und wie läuft der Test?

Hatakka: Das Interesse ist groß, aber mehr will ich noch nicht dazu sagen. Wir sind am Anfang. Auf jeden Fall ist es eine gute Option, unsere Netze an einen finanzstarken, langfristigen Investor zu verkaufen. Wir haben klare Kriterien: Wir brauchen einen Netzausbau in unserer Region, wir haben ein Investitionsprogramm von zwei Milliarden Euro. Das muss sicher sein, unabhängig vom Investor.

SZ: Bleibt es beim ersten Halbjahr 2009 als Verkaufstermin?

Hatakka: Wenn wir entscheiden zu verkaufen, ja.

SZ: Parallel versucht der Bund, alle vier Netzbetreiber zur "Deutschen Netz AG" zu verbinden. Stört das Ihre Pläne?

Hatakka: Die Frage ist, was die Netz AG für den Netzausbau in Deutschland bedeutet. Wird sie ihn beschleunigen oder bremsen? Meine Befürchtung ist, dass die Diskussion über die Netz AG den notwendigen Ausbau bremst. Das wäre gar nicht gut.

SZ: Wie wichtig ist für Vattenfall überhaupt noch der deutsche Markt?

Hatakka: Wir wollen wachsen und unseren Marktanteil in Europa verdoppeln, vor allem auf unseren beiden Kernmärkten in Deutschland und Polen. Allein in Deutschland investieren wir 6,5 Milliarden Euro. Und wir haben großes Interesse, auch in neuen Ländern präsent zu sein, in Großbritannien oder Benelux.

SZ: Das Deutschland-Geschäft dürfte ihnen aber wenig Freude machen. Ihre Reaktoren in Krümmel und Brunsbüttel werden seit neun Monaten repariert.

Hatakka: Ja, das beeinflusst unser Ergebnis sehr negativ. Aber wir haben insgesamt nach wie vor positive Zahlen.

SZ: Voriges Jahr haben sie ziemlich Federn gelassen. 250.000 Kunden haben Sie nach einer chaotischen Preispolitik verlassen, vor allem in Berlin und Hamburg. Was lernt man daraus?

Hatakka: Dass der Markt funktioniert! Künftig spielt Service, aber auch der Preis eine größere Rolle. Es wird wichtiger, wettbewerbsfähig zu sein.

SZ: Sind Sie es?

Hatakka: Wir arbeiten daran. Die Situation ist stabil, wir gewinnen Kunden wieder zurück.

SZ: Neuerdings auch im Internet.

Hatakka: Ja, wir haben die ersten Tests gemacht mit dem bundesweiten Vertrieb. Da haben wir viel gelernt. Zusammen mit Ebay verkaufen wir Strom im Internet. Da gibt es noch spannende Ideen. Der nächste Schritt werden Offline-Produkte sein, also Haustürvertrieb.

SZ: Da müssen Sie wohl auch noch am Image der Marke Vattenfall arbeiten.

Hatakka: Wir arbeiten daran. Aber man verliert gutes Image viel schneller, als man ein angeschlagenes Image verbessert. So ist das leider.

© SZ vom 9.10.2008/kim - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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