USA: Kein Geld für Autokonzerne:General Motors rast auf Pleite zu

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Wut, Trauer, Fassungslosigkeit: Nach dem Scheitern des Rettungsplans für die US-Autoindustrie geben Experten Chrysler und GM nur noch wenige Tage. Die Hoffnungen der Demokraten ruhen nun auf Präsident Bush.

Fassungslosigkeit in Washington: Nach dem Scheitern des Rettungsplans für die angeschlagene US-Autoindustrie herrscht in den USA das blanke Entsetzen. "Das wird ein schlimmes, schlimmes Weihnachten für viele Menschen", sagte der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid.

Die US-Autoindustrie steht vor einer harten Bewährungsprobe: Experten geben Chrysler und GM nur noch wenige Tage. (Foto: Foto: AFP)

Die betroffenen Konzerne, die eine milliardenschwere Kapitalspritze gefordert haben, lösen sich langsam aus der Schockstarre. General Motors prüft derzeit einem Pressebericht zufolge, ob der Konzern Gläubigerschutz beantragen solle, berichtet das Wall Street Journal. Bereits vor einigen Wochen habe das Unternehmen einige der renommiertesten US-Insolvenzberater und -anwälte engagiert. Allerdings sei Konzernchef Rick Wagoner bislang zurückhaltend gewesen. Er befürchte, dass ein Gläubigerschutz-Antrag mögliche Autokäufer abschrecke.

Experten warnen bereits vor den dramatischen Folgen des gescheiterten Rettungsplans. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer rechnet noch in diesem Jahr mit Pleiten von General Motors und Chrysler. "Es ist schrecklich. Kommt das Paket nicht, gehen Chrysler und General Motors noch 2008 in Konkurs", sagte Dudenhöffer. Schlimmer noch: Der Konkurs habe direkte Folgen auch auf die deutsche Wirtschaft. Denn im Konkurs würden sich die US-Autokonzerne nicht erholen, so Dudenhöffer.

Zulieferer in Gefahr

Daher sieht der Experte auch die deutschen Zulieferer mit Amerika-Geschäft in Gefahr: "Wer in den USA stärker im Geschäft ist, wird bluten müssen." Besonders gefährdet sei Continental: "Ganz klar: Wenn jetzt GM und Chrysler stürzen, wackelt auch Conti", sagte Dudenhöffer. Auch Bosch und weiteren Zulieferern werde ein Wegbrechen ihrer Abnehmer "richtig weh tun".

Auch in der US-Politik herrscht kollektives Entsetzen. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, äußerte sich enttäuscht über das Scheitern des Kompromissentwurfs, auf den sich Republikaner und Demokraten zuvor verständigt hatten. Reid sprach von einem "Verlust für das Land" und fügte hinzu: "Mir graut davor, morgen zur Wall Street zu schauen. Das wird kein erfreulicher Anblick sein."

Einige Demokraten sehen bereits in Präsident George W. Bush die letzte Hoffnung. "Plan B ist der Präsident", sagte der Demokrat Carl Levin. Auch die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verwies auf das Weiße Haus. Die Demokraten fordern, die Regierung solle den Autoherstellern kurzfristig Mittel aus dem 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket für die Finanzbranche zur Verfügung stellen. Die sei nun der "einzig gangbare Weg", mahnte Pelosi.

Gewerkschaften verweigerten Lohnsenkungen

Ob sich der scheidende Präsident für dieses Vorhaben begeistern kann, ist allerdings fraglich. Bush hat die Verwendung von Mitteln für die Autoindustrie bislang stets abgelehnt, sich aber für das Hilfspaket ausgesprochen. Auch sein Nachfolger Barack Obama hatte an die Senatoren appelliert, mit dem Hilfspaket einen verheerenden Dominoeffekt für die gesamte Wirtschaft zu verhindern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum der Rettungsplan gescheitert ist.

Am späten Donnerstagabend waren im US-Senat die Verhandlungen über einen 14 Milliarden Dollar schweren Rettungsplan für die Autoindustrie gescheitert. Den Republikanern gingen die Zugeständnisse der Autoindustrie als Gegenleistung für die rettenden Milliarden nicht weit genug. So weigerten sich die Auto-Gewerkschaften, die von den Republikanern geforderten tiefgreifenden Lohnkürzungen zu akzeptieren. Damit sollten die Lohnkosten auf das Niveau der japanischen Anbieter in den USA gesenkt werden.

Damit ist das Schicksal der vom Bankrott bedrohten Branchenriesen General Motors und Chrysler weiter ungewiss. Auch Konkurrent Ford will Kredite, betont aber, dass die Situation nicht so akut wie bei den beiden Konkurrenten sei.

Verbrannte Reserven

GM hatte um zehn Milliarden Dollar bis Jahresende gebeten, Chrysler um vier Milliarden. Die Unternehmen "verbrennen" derzeit ihre Bargeld-Reserven. In der Finanz- und Konjunkturkrise ist der Absatz massiv eingebrochen und die geschmolzenen Einnahmen aus dem Tagesgeschäft reichen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken.

Wie schnell GM und Chrysler das Geld ausgehen könnte, ist unklar. Bevor sie vor kurzem eilige Kredite noch im Dezember gefordert hatten, hieß es noch, sie könnten bis ins nächste Jahr durchhalten. Eine Insolvenz wollten die Autobosse jedoch bisher um jeden Preis vermeiden, obwohl sie in den USA oft zur Sanierung angeschlagener Unternehmen eingesetzt wird. Unter dem sogenannten Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts können Firmen die Bedienung ihrer Schulden aussetzen und sich in Ruhe sanieren. Unter anderem so gut wie alle US-Fluggesellschaften hatten dies schon gemacht.

An der Autoindustrie hängen nach verschiedenen Schätzungen drei bis fünf Millionen Arbeitsplätze in den USA.

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