USA: Banker-Boni:Abkassieren wie noch nie

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An der Wall Street beginnt bald die schönste Zeit des Jahres - die Boni werden fällig. Wer bekommt mehr, wer weniger?

Moritz Koch, New York

Die Finanzakrobaten der Wall Street jonglieren gern mit großen Zahlen. Doch die Ziffern, die ihnen derzeit durch den Kopf schwirren, bereiten ihnen ein besonderes Vergnügen. Es geht um Bonuszahlungen und die Frage, ob die eigene Millionenprämie ein- oder zweistellig ausfällt. In den Hochhäusern Manhattans wird im Laufe der Woche die Bonussaison eröffnet. Im Leben der Banker sind es die wichtigsten Arbeitstage des Jahres. Der Bonus macht nicht nur den Hauptteil ihres Verdienstes aus, er ist auch quantifiziertes Prestige: "Wer bekommt mehr, wer bekommt weniger, wurde ich gerecht behandelt?" Der materielle Status bestimmt das Bewusstsein der Banker in New York derzeit noch mehr als sonst.

An der Wall Street beginnt bald die schönste Zeit des Jahres - die Boni werden fällig. (Foto: Foto: AFP)

Während sich die USA erst allmählich von der tiefen Rezession der vergangenen zwei Jahre erholen, die Arbeitslosigkeit weiter steigt und viele Amerikaner unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen, kann sich die Finanzbranche über gute Zeiten freuen.

Großartige Gewinne

Die Großbanken haben im vergangenen Jahr phantastische Gewinne erzielt, Konzerne wie Goldman Sachs steuern auf ein Rekordergebnis zu. Die Prämientöpfe sind prall gefüllt. Nach Schätzungen des Wall Street Journals könnten die Gehälter der Wall Street die Summe des Boomjahres 2007 deutlich übersteigen, obwohl die Banken Personal abgebaut haben. Weniger Banker bekommen also noch mehr Geld. 120 bis 140 Milliarden Dollar könnte die Finanzbranche an ihre Mitarbeiter ausschütten. Dennoch will bei den Bankern keine Champagner-Laune aufkommen. Denn die Gehaltseskapaden dürften für die Banken zu einem PR-Desaster werden. Der Sturm der Entrüstung, den die Wall Street entfachte, als sie 2008 vom Staat gerettet werden musste, ist bis heute nicht abgeklungen. Jede weitere Bonusmilliarde gießt zusätzliches Öl ins Feuer.

Viele Ökonomen geben der Gehaltspolitik der Wall Street eine Mitschuld an der globalen Wirtschaftskrise, da Banker dafür belohnt würden, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Das Bonusproblem ist ein Paradebeispiel für die sogenannte Agenturtheorie, die Interessenkonflikte zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern untersucht. Die Auftragnehmer sind in diesem Fall die Manager der Großbanken, die Auftraggeber sind die Anteilseigner, die mit ansehen müssen, wie sich die Banker aus dem Eigentum der Aktionäre bedienen.

Reformen, die derzeit im Kongress erarbeitet werden, zielen daher darauf ab, den Aktionären mehr Mitspracherechte in der Gehaltspolitik zu geben. Ein Gesetzentwurf, den das Repräsentantenhaus verabschiedet hat, sieht vor, dass Anteilseigner über Kompensationsfragen abstimmen können. Auch die Wall Street will aus Imagegründen ihre Gehaltpraxis ändern. Der Bargeldanteil der Prämien schrumpft, der Anteil von Aktien, die erst nach einigen Jahren verkauft werden können, wächst.

Boni werden an der Wall Street im Unterschied zu den meisten anderen Branchen nicht aus dem Gewinn gezahlt, sondern aus dem Umsatz. Daher ist es möglich, dass die Institute auch dann Prämien ausschütten, wenn sie Verluste erwirtschaftet haben. Eine Änderung dieser Praxis steht nicht auf der Agenda, weder in Washington, noch an der Wall Street. Dafür haben einige Großbanken den Anteil des Umsatzes, der für Angestellte reserviert wird, etwas reduziert.

Banken im Dilemma

Noch im ersten Quartal hielt Goldman die Hälfte der Erlöse für Mitarbeiter zurück, doch nachdem die Investmentbank im Sommer ins Kreuzfeuer der Kritik geriet, reduzierte sie den Anteil auf 43 Prozent im dritten Quartal. Bei JP Morgan Chase soll der Kompensationsanteil auf 40 Prozent sinken. Doch die Banken stecken in einem Dilemma. Gehen sie bei der Bonusbeschränkung zu weit, laufen sie Gefahr, dass ihre besten Manager von kleineren Investmentfirmen abgeworben werden, deren Gehaltsentscheidungen weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Marktmechanismus versagt dabei, unvernünftige Prämienmodelle abzuschaffen.

Auch darum nimmt in Washington die Bereitschaft zu, neue Sanktionen gegen die Banken zu beschließen. Präsident Barack Obama hat die Wall Street wiederholt attackiert und Banker als Bonzen gegeißelt. Doch bei aller rhetorischen Schärfe blieben die Vorschläge zahm, die seine Regierung bisher zur Regulierung des Finanzsektors vorlegte. Das könnte sich bald ändern. Die gut informierte Webseite Politico meldete am Montag, die Regierung erwäge eine Sondergebühr für Banken - als Alternative zu der in Großbritannien eingeführten Bonussteuer.

© SZ vom 12.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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